Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Krankenwagen gerufen, aber die Polizei kam ebenfalls, um zu sehen, ob Gewalt angewendet worden war, nehme ich an. Die Nachbarin war sehr verstört, und ich bin hinüber gegangen, um zu sehen, ob ich helfen konnte. Der alte Mann lag offenbar im Sterben. Ich glaube, er hatte einen Herzanfall. Ich hörte das Gespräch zwischen den Polizisten.»
«Was haben sie gesagt?» fragte de Gier.
«Der eine Polizist sagte zum andern: (Verdammt, ich hoffe, der alte Kerl kratzt nicht sofort ab. Falls ja, müssen wir einen Bericht darüber schreiben.) Und der andere sagte: ‹Keine Sorge, er wird im Krankenwagen sterben; dann können sich die Sanitäter darum kümmern. › »
«Ja», sagte de Gier.
«So denken Ihre Leute, nicht wahr?»
«Nicht ganz», sagte de Gier geduldig. «So hört es sich für Sie nur an. Sie sind betroffen, der Tote ist Ihr Bruder. Wenn einer meiner Freunde stirbt oder meine Katze überfahren oder meine Mutter krank würde, ginge mir das sehr an die Nieren. Ich versichere Ihnen, ich würde bestürzt und verwirrt sein.»
«Aber wenn Sie meinen Bruder in einer Blutlache finden …»
«Bin ich ebenfalls bestürzt, aber ich unterdrücke meine Gefühle. Ich kann keine große Hilfe sein, wenn ich zusammenbreche, nicht wahr? Und dieser Fall sieht seltsam aus. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Ihr Bruder ermordet worden ist. Vielleicht hat Grijpstra etwas gesehen. Sie sind den ganzen Nachmittag über hier gewesen, nicht wahr? Ist jemand nach oben in sein Zimmer gegangen?»
«Nein. Louis kam nach Haus, aber ich hörte, daß er an dem Zimmer vorbeiging und die zweite Treppe hinaufstieg zu seinem eigenen Zimmer.»
«Der Recht Boomssloot ist keine stark befahrene Durchgangsstraße», sagte de Gier, «aber hier müssen doch Leute herumgehen. Es wäre möglich, von der Straße aus in das Zimmer zu klettern, aber das wäre wirklich riskant. Niemand hat den Polizisten auf der Straße etwas berichtet, denn die hätten mir sonst etwas davon gesagt.»
«Vielleicht hat jemand mit etwas nach Abe geworfen», sagte Esther. «Er könnte nach draußen auf die Gracht geschaut haben. Das hat er oft getan. Er steht am offenen Fenster und starrt. Er gerät so in Trance, und ich muß ihn anschreien, um ihn da herauszuholen. Vielleicht hat jemand mit einem Stein nach ihm geworfen.»
«Der Stein wäre ins Zimmer gefallen oder abgeprallt und wieder auf die Straße gefallen. Die Polizisten hätten ihn gefunden. Ein blutiger Stein fällt doch auf. Ich frag mal nach.»
Er kam gleich darauf zurück. «Nichts. Ich habe auch die Leute oben gefragt. Dort ist ein Mann von der Spurensicherung. Er sagt, auch im Zimmer ist nichts. Keine Waffe, kein Stein.»
«Abe ist ein seltsamer Mensch gewesen und auf seltsame Art gestorben», sagte Esther, «aber es wird irgendeine technische Erklärung dafür geben. Es gibt immer eine- für alles.»
«Gestohlen worden ist nichts, oder?»
«Nein. Im Haus ist kein Geld, bis auf das, was Abe in der Brieftasche hat. Die Brieftasche ist noch da, in der Seitentasche seiner Safarijacke. Ich habe die Ausbeulung gesehen. Die Tasche ist zugeknöpft. Er hat darin gewöhnlich ein paar tausend Gulden.»
«Das ist viel Geld, um es in einer Tasche aufzubewahren.»
«Abe hatte immer Geld. Er verdiente es viel schneller, als er es ausgeben konnte. Ihm gehört das Lagerhaus nebenan; es ist voller Waren, die nie lange da liegenbleiben. Jetzt sind Baumwollstoffe drin, die er kurz vor der Anhebung der Baumwollpreise gekauft hat, und in einer ganzen Etage sind Kartons mit Wolle aufgestapelt, die er auf dem Straßenmarkt verkauft.»
«Zwischen diesem Haus und dem Lagerhaus nebenan gibt es keine Verbindung?»
«Nein.»
«Keine Geheimtür?»
«Nein, Brigadier. Ins Lagerhaus gelangt man nur über die Straße. Die Hinterhöfe sind durch hohe Ziegelmauern geteilt, die viel zu hoch sind, um sie zu überklettern.»
Grijpstra und der Commissaris kamen die Treppe herunter. De Gier rief sie herein und machte Esther mit dem Commissaris bekannt. Zwei Sanitäter balancierten ihre Trage die Treppe hinauf. Sie waren mit der Barkasse der Wasserschutzpolizei gekommen.
«Ich gehe nach oben», sagte de Gier. «Ich glaube, wir sollten den Inhalt der Taschen an uns nehmen, ehe die Leiche weggebracht wird. Sie werden eine Quittung erhalten, Juffrouw Rogge.»
«Ja», sagte der Commissaris. «Wir müssen jetzt für eine Weile fortgehen, später aber vielleicht noch mal wiederkommen. Ich hoffe, Sie nehmen uns das Eindringen in Ihre
Weitere Kostenlose Bücher