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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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Er war zu erfolgreich, wissen Sie, und zu gleichgültig. Er war so voller Leben. Die Leute machten sich Sorgen und waren niedergeschlagen, und er lachte und ging für einige Wochen nach Tunesien, um am Strand zu spielen oder auf einem Kamel zu irgendeinem Dorf zu reiten. Oder er segelte mit seinem Boot auf dem großen Binnensee. Oder er fuhr in den Osten, kaufte Waren, verkaufte sie hier und machte guten Gewinn. Er war ein gefährlicher Mann. Er vernichtete die Leute. Er gab ihnen das Gefühl, Narren zu sein.»
    «Hat er Ihnen das Gefühl gegeben, ein Narr zu sein?»
    «Ich bin eine Närrin», sagte Esther.
    «Warum?»
    «Alle sind Narren. Sie auch, Brigadier, ob Sie es zugeben wollen oder nicht.»
    «Sie wollten mich Rinus nennen. Also gut. Ich bin ein Narr. Wollten Sie, daß ich das sage?»
    «Ich will gar nichts. Wenn man weiß, daß man ein Narr ist, konnte Abe einem nichts anhaben. Er lud häufig zum Diner ein, aber bevor jemand etwas essen durfte, mußte man aufstehen, die anderen Gäste ansehen und sagen: ‹Ich bin ein Narr.›»
    «Ja?» fragte G rijpstra erstaunt. «Wozu nur?»
    «Ihm gefielen solche Dinge. Sie mußten sagen, sie seien Narren, und dann erklären, warum sie welche seien. Eine Art von sensitivem Training. Ein Mann sagte etwa: ‹Freunde, ich bin ein Narr. Ich halte mich für bedeutend, bin es aber nicht. › Aber Abe genügte das nicht. Er ließ den Mann nicht essen oder trinken, bis dieser im Detail erklärt hatte, warum genau er ein Narr sei. Er mußte dann einräumen, daß er auf irgendeinen besonderen Erfolg stolz sei, auf einen Geschäftsabschluß zum Beispiel oder auf eine bestandene Prüfung oder weil er eine Frau herumgekriegt hatte, und dann mußte er sagen, es sei töricht, auf eine solche Heldentat stolz zu sein, da sie ihm einfach passiert sei. Es war nicht seine Schuld oder sein Verdienst, wissen Sie. Abe glaubte, wir würden von den Umständen herumgestoßen und der Mensch sei nur ein seelenloser Mechanismus.»
    «Und die Leute mußten dies ihm gegenüber immer wieder zugeben? »
    «Ja, das war die einzige Möglichkeit, damit anzufangen, etwas zu tun.»
    «Also konnten sie schließlich doch etwas tun ?»
    «Ja, nicht viel . Etwas. Vorausgesetzt, sie räumten ein, daß sie Narren seien.»
    De Gier steckte sich eine Zigarre an und lehnte sich zurück. «Scheiße», sagte er leise.
    «Wie bitte?»
    «Oh, nichts», sagte de Gier. «Ihr Bruder muß viele Leute verärgert haben. Hat er jemals zugegeben, selbst ein Narr zu sein?»
    «O ja.»
    «Und er hat sich wirklich für einen Narren gehalten?»
    «Ja. Es machte ihm nichts aus, wissen Sie. Er lebte nur für den Augenblick. Ein Tag bestand für ihn aus vielen Augenblicken. Ich glaube, es war ihm auch egal, als er starb.»
    «Diese Freunde, die er hatte, was waren das für Leute? Geschäftsfreunde vom Straßenmarkt?»
    Esther fuhr mit der Hand durch ihr Haar und begann an der Kaffeemaschine herumzuspielen. «Noch Kaffee, Rinus?»
    «Gern.»
    Sie füllte den Apparat und verschüttete etwas Kaffeepulver auf den Boden.
    «Gestatten Sie», sagte de Gier und nahm Kehrblech und Handfeger auf.
    «Danke. Sind Sie verheiratet?»
    «Nein, ich lebe allein mit meinem Kater. Ich beseitige den Dreck immer gleich, wenn ich welchen mache.»
    «Sie fragten nach Freunden. Nun, er hatte oft Freunde vom Straßenmarkt hier im Haus, außerdem kamen Studenten und Künstler. Und Journalisten und Mädchen. Abe wirkte anziehend auf Frauen. Und selbstverständlich war Louis hier. Sie haben ihn im Korridor gesehen, nicht wahr? Wo ist er überhaupt?»
    «Oben bei meinem Kollegen Adjudant Grijpstra und beim Commissaris.»
    «Dieser kleine alte Mann ist Ihr Chef?»
    «Ja. Können Sie mir einige seiner Freunde beschreiben? Ich brauche eine Liste von ihnen. Hatte er spezielle Freunde?»
    «Sie waren alle speziell. Er war den Leuten sehr eng verbunden, bis er sie fallenließ. Ihm liege nichts an Freundschaft, sagte er immer. Freundschaft sei ein vorübergehendes Phänomen; sie hänge von Umständen ab und beginne und ende wie der Wind. Er verärgerte die Menschen, wenn er das sagte, denn sie versuchten, sich ihm anzuschließen.»
    «Das ist vielleicht ein Fall», sagte de Gier.
    Esther lächelte, langsam, müde. «Sie erinnern mich an die Polizisten, die vor einigen Tagen gekommen sind. Sie hatten die falsche Hausnummer. Unsere Nachbarn hatten angerufen. Ein alter Mann war dort zu Besuch und wurde plötzlich krank und brach zusammen. Die Nachbarn hatten nach dem

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