Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Ohren ablassen, aber er lachte nur, nicht etwa, um sie vorsätzlich zu ärgern, sondern weil es ihm egal war. Er sagte, sie seien Ballons oder ausgestopfte Tiere.»
«Aber er hat sich selbst darin einbezogen, nicht wahr?»
«Oh, ja, er weigerte sich, irgendwo irgendwelche Werte zu sehen.»
«Wozu hat er dann soviel Geld verdient?»
Louis stand auf und brachte den Karton in eine Zimmerecke. «Wenn einem alles egal ist, kann man lachen und weinen, oder?»
De Giers Gesicht war ausdruckslos.
«Abe lachte lieber, und zwar mit vollem Bauch, einer Zigarre im Mund, einem Wagen auf der Straße und einem Boot auf der Gracht. Ich glaube nicht, daß es ihm etwas ausgemacht hätte, dies alles nicht zu haben, aber er zog es vor, diese Dinge zu haben.»
«Aha», sagte de Gier.
«Sie verstehen nicht», sagte Louis. «Macht nichts.»
«Sie haben ihn wirklich bewundert, nicht wahr?» fragte de Gier boshaft.
«Ja, Bulle, hab ich. Aber jetzt ist er tot. Der Ballon ist zerplatzt. Noch Fragen? »
«Nein.»
«Dann gehe ich jetzt in die nächste Kneipe, kippe ein paar Gläser und schlafe hinterher irgendwo. In der Kneipe gibt’s bestimmt ein Mädchen, das mich mitnimmt zu sich. Ich will die Nacht nicht hier verbringen.»
De Gier stand vom Fußboden auf und ging hinaus. Er war zu müde, um sich eine schlagfertige Antwort zu überlegen. Er fand die Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, ehe er wieder in Esthers Zimmer ging. Im Klo war ein kleiner Spiegel, und er betrachtete sein Gesicht. Seine Haare waren vom Seifensteinpulver und Schlamm verklebt, auf den Wangen hatte er Farbspritzer, die Augen sahen leblos aus, sogar der Schnurrbart hing herab.
«Nun?» fragte Esther.
«Es fiel der Name Bezuur.»
«Klaas Bezuur», sagte Esther bedächtig und lud ihn mit einer Handbewegung ein, wieder auf dem Sessel Platz zu nehmen. «Ja, ich hätte ihn erwähnen sollen, aber ich habe ihn schon so lange nicht mehr gesehen, daß ich ihn vergessen hab. Er hat mich mal gebeten, seine Frau zu werden, aber ich glaube nicht, daß er es ernst meinte. Abe und er standen sich früher einmal sehr nahe, aber das ist schon eine Weile her.»
«Haben sie sich gestritten?»
«Nein. Klaas wurde reich und mußte die Arbeit auf dem Straßenmarkt und die Reisen mit Abe aufgeben. Er mußte sich um seine Geschäfte kümmern. Er wohnt jetzt in einer Villa, in einem der neuen Vororte, in Buitenveldert, wie ich glaube.»
«Ich wohne in Buitenveldert», sagte de Gier.
«Sind Sie reich?»
«Nein, ich habe eine kleine Wohnung. Ich nehme an, Bezuur wohnt in einem Bungalow von einer Viertelmillion.»
«Stimmt. Ich bin in dem Haus noch nicht gewesen, obwohl er uns eingeladen hat, aber Abe wollte nicht. Er machte nie Besuche, außer er hatte einen guten Grund – Sex oder eine Party oder ein Geschäft oder ein Buch, über das er diskutieren wollte. Klaas liest nicht. Er ist jetzt etwas schlampig; er war ziemlich fett und verschlossen, als ich ihn das letzte Mal sah.»
«Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe», sagte de Gier und rieb sich das Gesicht. «Morgen ist wieder ein Tag. Ich kann kaum noch geradeaus gucken.»
Sie begleitete ihn zur Tür. Er sagte gute Nacht und wollte gehen, aber er blieb stehen und schaute auf die Wasserfläche der Gracht. Eine Ratte, aufgeschreckt durch die hochaufragende Gestalt des Kriminalbeamten, verließ ihr Versteck und sprang. Der geschmeidige Körper tauchte mit einem leichten Platschen in die ölige Oberfläche ein, und de Gier beobachtete, wie die immer größer werdenden Ringe sich verloren.
«Wollen Sie nicht gehen?» fragte eine Stimme, er drehte sich um. Esther stand am offenen Fenster ihres Zimmers in der ersten Etage.
«Doch», rief er leise zurück, «aber du darfst dort nicht stehenbleiben.»
«Er kann seine Kugel werfen», sagte Esther, «wenn er will. Es ist mir einerlei.»
De Gier rührte sich nicht.
«Rinus de Gier», sagte Esther, «wenn du nicht gehen willst, dann kannst du ebensogut wieder reinkommen. Wir können einander Gesellschaft leisten.» Ihre Stimme war ruhig.
Das automatische Schloß klickte. De Gier stieg die beiden Treppen wieder hinauf. Sie stand am Fenster, als er ins Zimmer trat. Er stellte sich hinter sie und berührte ihre Schulter. «Der Mörder ist wahnsinnig», sagte er sanft. «Hier zu stehen, heißt, ihn einzuladen.»
Sie antwortete nicht.
«Du bist allein im Haus. Louis sagte, er wolle woanders schlafen. Wenn du möchtest, rufe ich im Präsidium an, damit zwei
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