Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Einstellung ihm damals rätselhaft gewesen war.
Der Commissaris seufzte. Es war ein schöner Traum gewesen. Er nahm das Telefon und wählte eine Nummer. Das Telefon klingelte lange.
«De Gier.» Die Stimme im Telefon klang tief und kehlig.
«Morgen, de Gier.»
«Mijnheer. Guten Morgen, Mijnheer.»
«Hör mal», sagte der Commissaris. «Es ist früh und Sonntag, und nach der Art zu urteilen, wie du sprichst, hast du geschlafen, als dein Telefon klingelte. Ich möchte, daß du aufstehst, dich wäschst, etwas Kaffee trinkst und dich vielleicht rasierst. Wenn du fertig bist, kannst du zurückrufen. Ich warte auf dich.»
«Ja, Mijnheer. In zehn Minuten.»
«Sagen wir in zwanzig. Du kannst ruhig zuerst frühstücken.»
«Gut», sagte de Gier.
Der Commissaris legte den Hörer auf und streckte sich aus. Dann überlegte er es sich anders und stand auf und holte einige Salatblätter aus der Küche. Die Schildkröte wartete im Garten auf ihn, sie verließ mutig das Gras und marschierte schwerfällig über die Steinplatten, die zur offenen Tür vom Arbeitszimmer des Commissaris führten.
«Morgen, Mijnheer», sagte de Gier noch einmal.
«Erzähl mal von gestern abend», sagte der Commissaris. «Hat es sich gelohnt?»
«Ja», sagte de Gier. «Juffrouw Rogge hat mir drei Namen und drei Adressen gegeben. Haben Sie einen Kugelschreiber da, Mijnheer?»
Der Commissaris notierte Namen und Adressen. De Gier sprach weiter. «Ja, ja, ja», sagte der Commissaris.
«Vielleicht sollten Grijpstra und ich diese Leute heute aufsuchen, Mijnheer.»
«Nein, Grijpstra kann gehen und ich mit ihm. Für dich hab ich andere Pläne. Bist du bereit?»
«Ja, Mijnheer.»
«Gut. Geh zu unserer Garage und frage nach dem grauen Lieferwagen. Dann gehst du zum Lager. Wir haben einige beschlagnahmte Textilien dort, Tuchballen, eine gute Kollektion. Sie sollen nächste Woche versteigert werden, aber wir können sie haben. Ich werde den Lagerchef im Laufe des Vormittags noch anrufen.»
«Textilien?» fragte de Gier. «Den grauen Lieferwagen? Soll ich die Textilien irgendwo hinbringen?»
«Ja. Morgen zum Straßenmarkt. Ein Kriminalbeamter sollte ein guter Schauspieler sein: morgen kannst du einen Straßenhändler spielen. Ich werde mich mit dem Marktmeister von der Albert Cuypstraat in Verbindung setzen, der dir einen Stand und eine vorläufige Lizenz geben wird. Du brauchst nur einige Tage dort zu bleiben. Freunde dich mit den anderen Straßenhändlern an. Falls der Mörder vom Markt ist, wirst du dort eine Spur aufnehmen können.»
«Ich allein, Mijnheer?» De Gier klang nicht sehr erfreut.
«Nein. Du kannst Brigadier Sietsema mitnehmen.»
«Kann ich nicht Cardozo haben?»
«Cardozo?» fragte der Commissaris. «Ich dachte, du magst Cardozo nicht. Ihr beiden streitet euch immer.»
«Streiten, Mijnheer? Wir streiten uns nie. Ich hab ihm Unterricht gegeben.»
«Unterricht? Aha, gut. Nimm ihn. Vielleicht ist das sogar besser. Cardozo ist Jude, und Juden sind angeblich gute Kaufleute. Vielleicht sollte er der Straßenhändler und du sein Gehilfe sein.»
«Ich werde der Händler sein, Mijnheer.»
Der Commissaris lächelte. «Gut. Ruf Cardozo an, daß er dich heute noch aufsucht. Ruf ihn am besten gleich an, ehe er das Haus für heute verläßt. Und was ist mit Esther Rogge, war sie in guter geistiger Verfassung, als du sie gestern abend verlassen hast?»
Es kam keine Antwort.
«De Gier?»
«Ich hab sie hier bei mir, Mijnheer, in meiner Wohnung.»
Der Commissaris schaute zum Fenster hinaus. Eine der Elstern saß im Gras und sah die Schildkröte an. Die Schildkröte starrte zurück. Er fragte sich, was die beiden miteinander gemein haben könnten.
«Es ist nicht, was Sie denken, Mijnheer.»
«Ich habe nichts gedacht, de Gier. Ich habe auf meine Schildkröte geschaut. Ich hatte in der vergangenen Nacht einen Traum, der mit dem Papua zu tun hatte. Erinnerst du dich an den Papua?»
«Ja, Mijnheer.»
«Ein seltsamer Traum. Da war etwas mit seinen beiden Schwestern. Sie hatten Flügel und flogen in meinen Garten. Es war Vollmond, und meine Schildkröte kam ebenfalls in dem Traum vor. Meine Schildkröte war aufgeregt und sprang im Gras herum.»
«In Ihrem Traum, Mijnheer?»
«Ja. Und er war sehr real, wirklicher als das Gespräch, das ich jetzt mit dir führe. Du träumst ebenfalls, wie du mir gestern abend erzählt hast.»
«Ja, Mijnheer. Ich würde irgendwann gern mehr über Ihren Traum hören.»
«Irgendwann», sagte der Commissaris
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