Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Zimmern.»
«Ja», sagte Grijpstra bedächtig. «Zwei Mann auf einem Boot. Es sieht aus, als seien sie mitten auf dem Ozean. Sie müssen gute Freunde sein, sehr enge. Sie sind aufeinander angewiesen. Das Boot ist zu groß für einen Mann, um es allein zu handhaben. Ich halte es für einen Schoner.»
«Ja?» fragte de Gier. «Interessierst du dich für Boote?»
«Ich bin daran interessiert, unseren Fall zu lösen», sagte Grijpstra. «Erinnerst du dich an das Gemälde in Abe Rogges Zimmer? Wir haben es vorgestern gesehen, als seine Schwester uns die Leiche gezeigt hat. Auf dem Boot waren zwei Mann.»
«Und?»
Der Weißkittel kam mit den Formularen herein, die sie sorgsam ausfüllten und mit einem Schnörkel unterzeichneten.
«Der Mann war Anwalt», sagte der Weißkittel. «Wir haben ihn an Hand der Papiere in seiner Brieftasche identifiziert. Ein ziemlich berühmter Anwalt oder ein berüchtigter, wenn Ihnen das lieber ist, denn er übernahm nur üble Fälle und verlangte dafür viel Geld.»
«Er ist eines natürlichen Todes gestorben, oder?» fragte de Gier.
«Ja, das ist richtig», sagte der Weißkittel. «An Herzschwäche. Es wurde fibrös. Er hat möglicherweise ein schweres Leben geführt, sich überarbeitet, zuviel reichhaltiges Essen und teure Weine.»
«Und Callgirls», sagte de Gier.
«Schon möglich», sagte der Weißkittel.
17
«Bert», sagte der Gemüsemann. «Ich heiße Bert. Vor einigen Jahren haben sie angefangen, mich Onkel Bert zu rufen, aber das ist nicht mein richtiger Name. Ich heiße Bert.»
Die Kriminalbeamten schüttelten die hornige Hand ihres Gastgebers und murmelten ihren Vornamen. «Henk», sagte Grijpstra, «Rinus», sagte de Gier, «Isaac», sagte Cardozo. Sie hatten sich ein wenig verspätet, und das Haus war voll von schwitzenden Straßenhändlern und Alkoholdunst und dem herben, beißenden Qualm des schwarzen Shagtabaks in selbstgedrehten Zigaretten. Das Haus stand nahe am breiten Fluß Ij mitten in Amsterdam. Ein Riesentanker fuhr vorbei und füllte mit seinem rostigen Rumpf die Fenster aus ; schwermütig ließ er seine Sirene ertönen wie ein trostloser Wal, der seine Einsamkeit beklagt.
«Ein schönes Haus hast du hier, Bert», sagte Grijpstra. «Nicht viele Leute in der Stadt haben einen so freien Ausblick auf den Fluß wie du.»
«Nicht schlecht, wie? Das Haus gehört meiner Familie, seit mein Urgroßvater es gebaut hat. Ich könnte jetzt einen guten Preis dafür kriegen, aber warum verkaufen, wenn man nicht muß? Das Gemüsegeschäft bringt den täglichen Cent ein, und meine Frau und ich haben etwas auf der Bank und brauchen uns um keine Hypothek zu kümmern, die Kinder sind aus dem Haus und versorgt. Also dann! Möchtest du ein Bier?»
«Ja, gern», sagte Grijpstra.
«Oder einen Schluck aus der großen Pulle? Ich habe einen Genever, bei dem dir die Ohren schlackern, und gut und kalt ist er außerdem. Den ganzen Abend wirst du ihn nicht trinken können, aber vielleicht einen kleinen Kurzen, damit du in Gang kommst?»
«Ich möchte einen Kurzen», sagte Grijpstra, « und ein Bier.»
Bert schlug sich auf den Schenkel. «Das hab ich gern. Du bist wie ich. Ich will auch immer alles. Das heißt, wenn ich die Wahl hab.»
«Wenn ich darf», sagte Grijpstra, der sich an die guten Manieren erinnerte, die seine Mutter ihm einzuhämmern versucht hatte.
«Du darfst, du darfst», sagte Bert und steuerte seinen Gast zu einer großen, auf Böcken liegenden Tischplatte, beladen mit Flaschen und Tellern voller grüner Gürkchen, glänzender weißer Zwiebeln, dicker heißer Würstchen und kleinen Schüsseln mit mindestens zehn verschiedenen Arten von Nüssen.
«Nüsse», rief Grijpstra. «Sehr gut.»
«Magst du Nüsse?»
«Mein Lieblingsessen. Ich kaufe immer welche, komme aber nie damit bis nach Hause. Auf dem Wege esse ich sie aus der Tüte.»
«Iß sie alle auf», sagte Bert. «In der Küche hab ich noch mehr. Pfundweise.»
Grijpstra aß und trank und war dankbar, daß er zum Abendessen zu spät gekommen war und Mevrouw Grijpstras mürrisches Anerbieten abgelehnt hatte, das billige, trockene Fleisch und die glasigen Kartoffeln aufzuwärmen, mit denen sie die Familie abgefüttert hatte. Der Genever brannte ihm in der Kehle, und die Nüsse füllten seine runden Backen, als er das Zimmer betrachtete, wo de Gier – makellos in einem frischgewaschenen Jeansanzug und einem hellblauen Hemd, eine lange, dünne Zigarre rauchend, die seine aristokratische Nase und den vollen,
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