Amy on the summer road
noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. »Und jetzt bist du ... mich besuchen gekommen? Deshalb bist du durchs Fenster geklettert?«
»Ja. Ich fand, wir sollten miteinander reden.«
»Ich bin echt froh darüber«, sagte er nach einer Weile.
»Hey, Chuck.« Wir drehten uns beide um. Muz lehnte im Türrahmen. »Wir sollten los, Alter, ist schon fünf Minuten vor...«
»Komme«, sagte Charlie und rührte sich nicht.
Ich stand auf und dabei fiel mein Blick auf ein mir nur allzu bekanntes Buch auf seinem Nachttisch: Food, Gas and Lodging. »Liest du das gerade?«, fragte ich Charlie. Ich war verwundert und hoffte, dass es nicht Muz’ Buch war. Er nickte. »Ich auch«, sagte ich und sah wieder auf das Buch.
»Echt?« Er klang überrascht. »Es war eins von seinen Lieblingsbüchern, und da dachte ich, ich schau mal rein.« Ich nickte nur und hypnotisierte immer noch den so vertrauten Umschlag. Ich wünschte mir, wir hätten das hier vor ein paar Monaten tun können. Als wir beide mit ihm hätten reden können – als er noch da war.
»Chuck?«, drängelte Muz wieder. Charlie nickte, stand auf, und wir gingen zusammen zur Tür. Es war, als gäbe es plötzlich so viel zu sagen, dass es unmöglich war, überhaupt etwas zu sagen.
»Hey«, sagte Muz. Er sah uns beide an. »Fahrt ihr vielleicht über Richmond?«
»Ich glaube, er meint dich«, half Charlie aus.
»Ähm, weiß nicht«, sagte ich. Weiter als bis zu dem Besuch bei Charlie hatte ich noch nicht gedacht, und die Tatsache, dass es danach keinen weiteren Plan gab, fühlte sich plötzlich ziemlich befremdlich an.
»Heißt das vielleicht? Ihr fahrt vielleicht in die Richtung?« Muz wurde immer aufgeregter.
»Vielleicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
Muz nickte und fing an, in einem Rucksack herumzuwühlen, der an der Schranktür hing. »Also, falls ihr dahin kommt«, sagte er und hielt einen zerknitterten Umschlag in den Händen, »würdest du das bitte Corey geben, der immer bei Dairy Queen rumhängt?«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Charlie.
»Bitte, du musst das machen.« Muz hielt mir den Umschlag entgegen. »Du kannst ihn einfach irgendwem an der Kasse in die Hand drücken, die geben ihm das dann schon. Er muss endlich erfahren, warum ich nie bei ihm aufgetaucht bin, obwohl ich gesagt habe, dass ich komme. Ich wollte ihn nicht hinhalten. Ich bin bloß hierhergeschickt worden. Wenn er das nicht erfährt, bringt er meinen Fisch um.«
»Deinen Fisch?«, fragte ich.
»Jetzt ist mal gut mit deinem Fisch«, murmelte Charlie. »Schick ihm doch einfach ’ne Mail.«
»Ja, super Idee. Soll ich die vielleicht adressieren an ›Corey, der immer bei Dairy Queen rumhängt Punkt com«
»Ich werd sehen, ob wir’s schaffen.« Ich nahm Muz den Umschlag aus der Hand und strich ihn ein bisschen glatt. »Ich versuch’s auf jeden Fall.«
»Danke«, sagte er und lächelte mich an. »Ich wusste es. Chuck hat ja oft gesagt, dass du immer für ihn da warst und ...«
»Wir müssen los.« Charlie machte die Tür weiter auf. »Ich helf dir wieder raus.« Wir traten in den menschenleeren Korridor hinaus. Nur das leise Plätschern des Brunnens war zu hören.
»Sind wir zu spät?«, fragte Muz.
»Und wie«, sagte Charlie, und alle zusammen hetzten wir zu dem Zimmer, durch das ich gekommen war.
»Noch mal danke«, rief Muz mir im Flüsterton zu, ehe er durch den Korridor verschwand. Er hob den Arm und winkte, ich winkte zurück und folgte dann Charlie in das Zimmer. Es war leer – bestimmt waren die beiden Bewohnerinnen schon auf dem Weg zu ihrem nächsten Therapietermin.
»Das hier?« Charlie zeigte auf das offene Fenster. Ich nickte und wir gingen hin. »Also, das war’s dann wohl, schätze ich«, sagte er und verknotete die Hände ineinander.
»Geht’s dir gut?«, fragte ich ihn, obwohl ich wusste, dass wir keine Zeit mehr hatten. Aber ich konnte einfach noch nicht gehen. »Du siehst jedenfalls besser aus. Aber dieses Haus hier ... geht’s dir wirklich gut hier?«
Charlie sah auf den weißen Teppich und wippte in seinen Flop-Flops hin und her. »Ich denke, ja«, sagte er schließlich. »Doch, ich glaub schon.«
»Amy«, flüsterte es laut von draußen. Ich steckte den Kopf durchs Fenster und sah Roger, der zu mir nach oben schaute.
Er wirkte unglaublich erleichtert, als er mich sah, und ich fragte mich, wie lange er wohl schon nach mir gerufen hatte.
»Bin gleich unten«, flüsterte ich zurück, und er nickte. Ich zog meinen Kopf wieder zurück durchs
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