Amy on the summer road
mir echt zu weit scheint.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Hm«, machte ich und tippte mit dem Finger auf die Stelle, wo wir uns befanden, »im Moment sind wir noch auf dem Highway 50, und es sieht ganz so aus, als würde der quer durch Nevada bis nach Utah führen. Dann müssen wir nur noch ein kleines Stück nach Utah rein, um auf die Interstate 70 zu kommen.«
»Interstates quer durch Nevada gibt es wohl keine?«, fragte Roger und studierte ausgiebig die Karte. »Sieht nicht danach aus, was?«
»Also, das wird wohl das Beste für uns sein«, wiederholte ich, über die aufgeschlagene Seite gebeugt, meine Ansicht. Gleichzeitig dachte ich, dass der Yosemite-Park wohl doch nicht so eine tolle Idee gewesen war, so rein logistisch gesehen. Erst hatte es so viel Zeit gekostet, dorthin und wieder wegzukommen, und jetzt standen wir auch noch vor dem Problem, Nevada durchqueren zu müssen. Es sah ganz so aus, als ob nicht allzu viele Leute auf die Idee kamen, einen Nationalpark zu durchqueren, wenn sie aus Kalifornien rauswollten. »Was glaubst du — liegen wir noch gut in der Zeit?«, fragte ich und war mir der Tatsache, dass wir eigentlich längst unterwegs nach Tulsa sein sollten, statt uns immer noch aus Kalifornien rauszuwursteln, plötzlich unangenehm bewusst.
»Vermutlich«, meinte Roger und inspizierte immer noch die Karte. »Wir können die Zeit ganz bestimmt wieder reinholen. Und deine Mutter hat doch sicher Verständnis, wenn wir uns um einen Tag verspäten.«
Dessen war ich mir zwar nicht so sicher, doch ich nickte. »Welche Richtung nehmen wir denn nun?«, fragte ich. »Ich hab Yosemite ausgesucht. Jetzt bist du dran.«
»Na ja«, setzte Roger an und sah mich kurz an, bevor er sich wieder der Karte zuwandte und Colorado aufschlug, »sieht ganz so aus, als ob wir, wenn wir in Utah auf die Interstate fahren und der dann durch Colorado folgen, in Colorado Springs rauskommen.«
»Kommt der Sache ziemlich nahe«, sagte ich. Kam es zwar, genau genommen, nicht ganz, aber immer noch nahe genug. Ich war überrascht, dass er dahin wollte, wo er schon mal war, und sah ihn fragend an. »Das ist also jetzt dein Vorschlag?«
»Könnte durchaus sinnvoll sein«, sagte er, ohne meinen Blick zu erwidern, und spielte an der Lautstärke seines iPod herum. »Jedenfalls hätten wir einen Platz zum Pennen für umsonst. Und ich kann dir die Uni zeigen und wer von meinen Freunden noch da ist ...« Beim zweiten Teil des Satzes hatte er sehr schnell gesprochen.
»Klar«, sagte ich und blätterte wieder auf die Nevada-Seite zurück, »kein Problem.«
»Super.« Er wirkte ungeheuer erleichtert. »Also dann, Highway 50? Wollen wir?«
»Auf geht’s«, sagte ich und nickte. Roger setzte den Blinker und fuhr zurück auf die Fahrbahn.
Nach zwei Stunden bekamen wir allmählich das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte. Der Highway war mittlerweile von vierspurig auf zweispurig geschrumpft, also auf eine Spur pro Richtung. Aber das war es gar nicht, was uns so sehr beunruhigte, denn solche Abschnitte hatte es um den Yosemite-Park herum auch ab und zu gegeben. Das eigentliche Auffällige
war: Plötzlich war da ... überhaupt nichts mehr. Die Straße erstreckte sich als schnurgerade Linie, so weit das Auge reichte. In der Ferne vor uns waren Berge und in der Ferne hinter uns waren Berge, doch im Wesentlichen war da nichts als eine riesige, leere, öde Landschaft, in der Mitte zerteilt durch einen zweispurigen Highway. Sonst nichts. Im Vergleich zu den gewundenen Gebirgsstraßen rings um den Yosemite-Nationalpark war das flache Land hier völlig anders. Am Straßenrand standen Gewächse, die an Scheuerbürsten erinnerten. Kaum zu glauben, dass wir noch vor wenigen Stunden von Kiefern umgeben waren.
Wir fuhren weiter. Mir fiel auf, dass Roger aufrechter saß als sonst und sich ebenfalls umsah. Hier gab es einfach gar nichts. Keine Tankstelle, kein Mini-Mart, kein Fast-Food-Lokal. Und so gut wie keine anderen Autos. Ab und zu tauchte mal eins hinter uns auf, aber das ließ uns immer schon nach kurzer Zeit zurück. Eine Überholspur war vollkommen unnötig, denn man konnte schon meilenweit sehen, was auf der Straße vor einem los war. Ganz selten dröhnte auch mal ein Auto oder ein Sattelschlepper auf der Gegenspur vorbei. Doch innerhalb von zwei Stunden hatten wir außer unserem nur ungefähr drei Fahrzeuge gesehen.
»Hm«, sagte ich, als ich es gar nicht mehr aushielt, »kommt nur mir das so vor oder ist hier wirklich was
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