An den Feuern von Hastur - 9
Alles ist wundersch ö n. Wir sind Ihnen f ü r Ehre Freundlichkeit und Großz ü gigkeit zutiefst dankbar.
Ein letztes Mal blickte sie rundum und ü berpr ü fte die Einzelheiten. Vielleicht w ü rde Lord Aldaran ein solches Fest bald wieder veranstalten, dachte sie. Das M ä dchen Mariel, das an dem Abend ihrer Ankunft bei Felicia gewesen war — war sie seine Tochter? Nein, daf ü r war sie zu alt, sie mußte seine Schwester, seine Nichte oder seine Cousine sein. Dauernd steckte Mariel mit Lorill Hastur zusammen. Was mochte sich zwischen ihnen abspielen? Sie verbrachten eine Menge Zeit damit, sich kichernd in irgendwelchen Ecken herumzudr ü cken.
Ein ungebetenes Bild stieg vor ihrem geistigen Auge auf, und Ysaye unterdr ü ckte ein L ä cheln: Aldaran kn ö pfte sich den jungen Hastur vor und verlangte wie ein Patriarch in einem Drama aus alter Zeit zu wissen, welche Absichten er verfolge.
Und wenn Aldaran es tat? Was w ü rde dieser arrogante junge Aristokrat antworten? Ging es sie, Ysaye, ü berhaupt etwas an?
Sie blickte hoch und bemerkte, daß Aldaran sie merkw ü rdig musterte.
Ich werde mit Lorill Hastur reden , sagte er. Sein Gesicht verriet nichts. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ließ Ysaye mitten in der Halle stehen.
Sie sah ihm nach, beunruhigt von dem pl ö tzlichen Wechsel in seinem Verhalten. In einer unbewußten Geste der Beunruhigung flog ihre Hand an ihre Lippen. Sie erkannte, daß dieser Wechsel ihren Gedanken ü ber den Hastur-Jungen und das M ä dchen Mariel auf den Fersen gefolgt war.
Hatte Aldaran ihre Gedanken gelesen?
Und wenn ja, was w ü rde er tun?
XIV
Leonie hatte sich erschN opft ins Bett gelegt und keinen anderen Gedanken mehr fassen k ö nnen als Schlaf. Sie hatte nicht einmal bemerkt, ob ihr Bett angew ä rmt worden war. Sie sp ü rte nicht, wie ihr Kopf das Kissen ber ü hrte. Ganz gewiß hatte sie heute abend kein Interesse an den Fremden auf Aldaran, nicht nach dem Arbeitstag, den sie gerade beendet hatte.
Vor Tagen — war es schon zehn Tage her? —, als Fiora sie entdeckte, wie sie im Garten herumtr ö delte und den beiden j ü ngeren M ä dchen beim Schaukeln zusah, hatte die Bewahrerin sie gefragt, ob sie nichts anderes zu tun habe. Leonie hatte sich den beiden j ü ngeren M ä dchen ein bißchen ü berlegen gef ü hlt, weil ihr von neuem gestattet worden war, in den Relais zu helfen. Fioras Frage hatte sie deshalb ü berrascht.
Nein , hatte Leonie wahrheitsgem ä ß geantwortet. Da hatte Fiora gel ä chelt und sie freundlich (zu freundlich, dachte Leonie heute) gefragt, ob sie, Leonie, sich zutraue, die ü bliche Ausbildung einer leronis in beschleunigter Form hinter sich zu bringen. Du hast mir doch gesagt, daß es dein Ziel ist, Bewahrerin zu werden , fuhr Fiora fort. M ö glicherweise brauchen wir eine neue Bewahrerin fr ü her, als wir gedacht haben. Und tritt der Fall nicht ein, nun, dann kann es nicht schaden, wenn eine Bewahrerin zur Verf ü gung steht, die einspringen kann, wo sie gebraucht wird.
Fiora verriet nicht, wo und wie bald die neue Bewahrerin gebraucht wurde. Es war ja durchaus vorstellbar, daß in einem Turm mehr als eine Bewahrerin wirkte. Tats ä chlich war das ein w ü nschenswerter Zustand, obwohl er heutzutage nicht oft erreicht wurde. Viele der jungen Comyn-Frauen wurden aus den T ü rmen weggeholt, um zum Vorteil ihrer Familien verheiratet zu werden und weitere S ö hne und T ö chter f ü r ihre Kaste zu geb ä ren. Leonie glaubte jedoch nicht, daß Fiora im Sinn hatte, sie zur Unter-Bewahrerin f ü r eine andere zu machen. Etwas an Fioras sorgf ä ltig bewachten Gedanken vermittelte ihr den Eindruck, es gehe sehr viel mehr vor sich als Fiora bereit war, ihr mitzuteilen.
Fiora hatte diesen Vorschlag mit der neuen Ausbildung als Herausforderung formuliert und angedeutet, dies k ö nne Leonies Chance sein, sich nicht nur vor Fiora, sondern vor allen Arbeitern in allen T ü rmen zu beweisen. Und Leonie hatte die Herausforderung angenommen.
Sie hatte keine Ahnung, was Fiora im Schilde f ü hrte. Erst hatte sie zuwenig zu tun gehabt, und jetzt hatte sie viel zuviel zu tun, und ein einziger Tag hatte diese Ver ä nderung bewirkt.
Wie jede andere Erwachsene tat sie regelm ä ßig Dienst in den Relais, und bei den t ä glichen Unterweisungen im Gebrauch ihrer F ä higkeiten mußte sie das doppelte Pensum absolvieren wie ihre Mitsch ü lerinnen.
Mehr als das doppelte Pensum, denn sie bekam speziellen Unterricht, und jetzt wußte sie aus
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