An den Feuern von Hastur - 9
Dauernd dr ä ngten sich andere Dinge hinein, und schließlich erkannte Leonie, daß die Frau sehns ü chtig auf ihren Mann wartete, damit er zu ihr ins Bett kam.
Das funktioniert nicht , dachte sie und brach den Kontakt ab. Besser, sie suchte nach dem Verstand, mit dem sie schon einmal kommuniziert hatte, dem Verstand, der sich mit Musikinstrumenten besch ä ftigte. Dieser Geist war dem Leonies ä hnlicher — sie hatte den Eindruck einer Art von Turm oder einem Bauwerk erhalten, uber den die Jungfrau herrschte. Etwas . weiß wie Knochen oder Elfenbein. In diesem Geist mochte es fremdartige Konzepte geben, aber keine st ö renden sexuellen Bilder.
Es war leichter, die Frau zu finden, als sie es sich vorgestellt hatte. Leonie ergriff die Gedanken und benutzte sie, n ä her heranzukommen. Und als sie den Kontakt einmal hergestellt hatte, fand sie vieles, was sie reizte und interessierte. Zum Beispiel war die Frau eine von der fremden Art. Bei einem Blick in den Spiegel hatte ihre unfreiwillige Wirtin ihr gezeigt, daß ihre Haut dunkler war, als Leonie sie je bei einem Menschen gesehen hatte.
Von großer Bedeutung war das nicht. Leonie war mit Geschichten uber die chieri groß geworden, auch wenn sie nie eines der Wesen gesehen hatte. Ysaye — den Namen fand sie, als sie ein bißchen diskret herumstocherte — war in ihren Gedanken durch und durch menschlich. Sie war Jungfrau, jawohl, und w ü rde es wahrscheinlich auch bleiben — M ä nner interessierten sie nicht, und Frauen ebensowenig. Aber Leonie erfuhr zu ihrem Entz ü cken, daß Ysaye tats ä chlich eine Art von Bewahrerin war, eine Bewahrerin von Wissen, und ihr Turm (Ysaye bezeichnete ihn in ihren Gedanken als Elfenbeinturm ) war eine von diesen Maschinen, eine, die Informationen speicherte und mit einer Geschwindigkeit, die Leonie schwindelig machte, bekanntgab. Sie stellte in Ysayes Geist fest, wieviel an Information das war, und bei dem bloßen Gedanken daran blieb ihr die Luft weg. Alle Bibliotheken auf der Welt konnten nicht ein Zehntel von dem enthalten, was der Computer in seinem Inneren barg!
Und das war noch l ä ngst nicht alles. Der Computer war der Schl ü ssel zu riesigen Schatzkammern mit anderen Dingen. Er konnte sogar Musik machen, ohne Musiker, wie durch Zauberei .
Die Begeisterung brachte Leonie beinahe dazu, sich Ysaye zu entdecken.
Die Frau w ä hlte Musik aus, die der Computer ihr zum Einschlafen vorspielen sollte. Neugierig, wie sie war, blieb Leonie und h ö rte sich einiges davon an. Etwas, das Mozart genannt wurde, fesselte sie und erf ü llte sie mit Ehrfurcht. Die Fremden k ö nnten eine Menge zu bieten haben, wenn sie f ä hig waren, solche Musik zu erschaffen.
Ysaye entspannte sich, und nun pr ü fte Leonie die Zufallserinnerungen, die ihr durch den Kopf gingen: eine Sonne, viel heller als ihre eigene und von grellem Weiß, ein einziger kalter weißer Mond. Schattige B ä ume an einem See und der Abendd ä mmerungsflug von seltsamen, sch ö nen, rosenfarbenen V ö geln, die vom Wasser hochflatterten .
Die Arbeit, die Ysaye als Bewahrerin ihres Computer-Turms tat .
Zu Leonies Verwunderung arbeitete sie als Gleichberechtigte mit M ä nnern zusammen. Nun, das h ä tte sie eigentlich nicht ü berraschen d ü rfen, denn das war auch in den T ü rmen, die Leonie kannte, der Fall, und sie w ü rde ebenfalls eine solche Stellung einnehmen, wenn sie ein bißchen mehr Erfahrung gesammelt hatte. Der Reichtum an Wissen, der Ysaye zur Verf ü gung gestanden hatte, ü berw ä ltigte Leonie, und sie war um so mehr beeindruckt, als sie entdeckte, daß Ysaye aus ganz bescheidenen Verh ä ltnissen stammte. Ihre Familie hatte beinahe Not gelitten. Und doch war es ihr erm ö glicht worden, all das zu lernen. Sie hatte sogar Unterricht in der Musik erhalten, die das Vergn ü gen der Reichen war, wie Fiora betont hatte.
Die Feststellung, daß Ysaye von armen Leuten abstammte, l ö schte s ä mtliche Bedenken aus, die Leonie vielleicht noch davon abgehalten h ä tten, in den Gedanken und Erinnerungen der Fremden herumzust ö bern. Obwohl Leonie bereits den ersten der Laran-Eide, den man Telepathen abverlangte, geleistet hatte — niemals ohne Erlaubnis in die Gedanken eines anderen einzudringen und niemals zu einem anderen Zweck, als zu helfen oder zu heilen —, bezog sich der Eid in ihren Augen kaum auf jemanden wie Ysaye. Die Frau war erstens ein Alien und geh ö rte zweitens nicht zu Leonies Kaste.
Da Ysaye außerdem von dieser Erforschung
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