An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
sie alle drei aus dem Gleichgewicht und ließ sie auf den harten Boden stürzen. Der Altar spaltete sich unter ohrenbetäubendem Lärm in zwei Hälften, schob sich unaufhaltsam über das brüchige Gras und gab eine Treppe frei, die in die Tiefe führte.
Stier, der genau am Rand der Öffnung stand und nur mühsam wieder auf die Beine gekommen war, stürzte rücklings in die Grube und polterte die Stufen hinunter, bis die anderen ihn in der Dunkelheit des geheimen Abstiegs aus den Augen verl o ren. Das Zittern der Erde verstummte und die Stille kehrte zurück. Die beiden Zurückgebliebenen traten an den Rand des A b grunds und starrten in das dunkle Loch, das sich vor ihnen aufgetan hatte.
„Stier?“, rief Adler und sein Echo ertönte mehrere Male, bis es in der Tiefe verebbte.
„Mir geht es gut!“, hallte es zurück, „kommt hier herunter, das solltet ihr euch ansehen!“
Die unebene, steile Treppe schien endlos zu sein und führte tief in den schwülen Schlund der Erde. Mit jedem Schritt stieg die Temperatur und die Feuchte der lange versiegelten A t mosphäre machte den Abstieg zu einer Herausforderung für den menschl i chen Körper. Dicke Schweißperlen standen auf Adlers Stirn, als sie den Grund des Verlieses erreichten. Staub und kleine Stei n chen, die auf sie nieder regneten, begle i tet von einem entfernten dumpfen Grollen, bestätigte ihnen, dass der Rückweg nun ve r sperrt war.
„So!“, stöhnte der Bogenschütze, „jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich denke nicht, dass es einen Mechanismus gibt, mit dem man die Pforte von innen öffnen könnte!“ Er wischte sich die Stirn mit seinem Ärmel trocken.
Gal bestätigte seine Vermutung mit einem mitleidigen Kop f schütteln und fing an, sich interessiert in dem schmalen Tu n nel umzusehen.
„Warum ist es so hell, eigentlich müsste es doch stockdunkel hier sein!“ Sie strich fasziniert mit den Fingern über die glimmenden Steine, aus denen die enge Passage bestand. „Der Fels spendet Licht! Das ist unglaublich!“ Mit der Spitze eines ihrer Messer brach sie vorsichtig mehrere kleine Steinchen aus der Wand, sam-melte sie vom Boden auf und steckte sie triumphierend in einen Lederbeutel.
„Glitzernde Steine sammeln?“, bemerkte Adler abschätzig und drängte zum Aufbruch, „Lass uns Stier suchen!“ Er zog seinen Bogen vom Rücken, nahm eine Pfeil aus dem Köcher und span n te damit geschickt die Sehne. In leicht gebüc k ter Haltung und dem tödlichen Geschoss im Anschlag schlich er den Gang en t lang, dicht gefolgt von Gal, die ebe n falls ihre beiden Dolche fest in den Händen hielt. Kurz darauf hatten sie das Ende des been g ten Durchgangs erreicht, der in eine gigantische, von seidenem Schimmer überzogene Trop f steinhöhle mündete.
Stier wartete schon ungeduldig auf seine Begleiter, die übe r wältig von dem hypnotischen, mehrfarbigen Lichtspiel des sanft fl a ckernden Gesteins, wortlos neben ihm stehen gebli e ben waren.
„Na endlich!“, brummelte er, während er sein Schlagwerkzeug wehrhaft in den Händen balancierte.
Vor ihnen windeten sich massive Stalagmiten majestätisch in die Höhe und berührten teilweise ihre nicht minder beeindr u ckenden Gegenspieler, die bedrohlich von der rissigen Decke hingen. Ihre langen, zylindrischen Schatten flimmerten nervös im Halbscha t ten des kolossalen Naturbauwerkes. Der verwitterte Boden, durchzogen von unzähligen winzigen Rinnen, die sich in feinen Linien durch die gesamte Höhle zogen und teilweise mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt waren, erschwerte ein sicheres We i terkommen.
Die drei Eindringlinge beschritten einen schmalen Pfad, der sich vorwitzig zwischen den steinernen Kegeln hindurc h schlängelte. Keiner von ihnen wusste, was sie hier erwarten würde und so schlichen sie angespannt über den unebenen Weg, jederzeit b e reit, einen hinterhältigen Angriff abzuwehren.
„Dieser Ort ist mir nicht geheurer!“, flüsterte Stier, „ich we r de einfach das Gefühl nicht los, dass uns jemand beobachtet.“
Gal, die zwischen ihm und Adler lief, betätigte sein ungutes G e fühl. „Schlangen belauern ihre Beute aus dem Hinterhalt, bevor sie unvermittelt zuschlagen. Trotz ihrer überlieferten Weisheit, ist sie dennoch ein hungriges, wildes Tier von erstaunlichen Ausm a ßen, wenn man den alten Erzählungen Glauben schenken kann!“
„Welch ein beschauliches, warmes Heim für ein kriechendes Ora-kel mit gespaltener Zunge!“ Kaum hatte Adler diesen Satz bee n
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