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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Frau mit dem klangvollen Namen Xalvadora lebte von Cañellas getrennt, da sie weder sein aufopferungsvolles Leben noch die Enge des Hauses und die Gefahr der Krankheitsmiasmen ertragen wollte.
    Das Haus war voll davon. Er hatte von animaculi gesprochen, winzigen Tierchen, die mit bloßem Auge nicht zu sehen waren, aber überall herumschwirrten und Menschen schaden konnten. Daher legte er trotz der Unordnung, der er allein nicht Herr wurde, Wert auf Sauberkeit. «Ich bin froh, dass Sie hier sind», sagte er während einer Kaffeepause. Es erschien ihr wie die unausgesprochene Frage, ob sie sich vorstellen könne, noch länger hier zu sein. «Ich habe viel zu lange geglaubt, ohne eine helfende Hand auszukommen.»
    «Wäre ich ein Mädchen wie Lucila, nämlich allein und ohne jede Aussicht auf ein anderes Leben, so würde ich meinen Aufenthalt gerne verlängern», versuchte sie das Gespräch in die naheliegendere Richtung zu lenken. «Sie ist anstellig und eine treue Seele.»
    «Nun, Lucila. Ich würde sie gerne beschäftigen. Aber sie muss zurück nach La Jirara. Sie gehört zu Reinmars Besitz.»
    Natürlich. Fast hätte sie es vergessen. Bedauerlich, dass sie in dieser Sache nichts zu sagen hatte.
    «Und Sie? Sie sind nicht gebunden, nur …»
    «Nur eine Frau mit einem zerrütteten Leumund», half sie ihm matt lächelnd aus.
    «Werden Sie nach La Jirara zurückgehen?»
    «Nein.»
    Die ganze Angelegenheit war eine schöne Tasse Tee, wie ihre Großmutter zu einem so großen Malheur zu sagen pflegte. Janna brachte den geleerten Becher in die Küche, wo Lucila Sancocho kochte, einen Eintopf aus Sapoarafisch, Pferdefleisch und Gemüse. Das Mädchen schien sich an Arturo ein Beispiel genommen zu haben, denn es war schweigsam und in sich gekehrt. Nicht verwunderlich bei dem, was es durchgemacht hatte.
    «Wo würdest du gerne hin, Lucila?»
    «Mich fragt doch keiner.»
    «Ich schon, du hörst’s ja.»
    Trotzig warf Lucila ihre Locken in den Nacken und rührte wild im Kessel. «Maria Lionza hat mich dafür bestraft, dass ich weggelaufen bin. Glaube ich jedenfalls.»
    Janna seufzte. «Ach, Lucila! So ein Unsinn.»
    «Ich gehe zurück nach La Jirara.» So heftig schlug Lucila die Kelle gegen den Kesselrand, dass die Soße spritzte. «Etwas anderes bleibt mir ja nicht übrig.»
    «Doña Janna?» Doctor Cañellas kam in die Küche, sich ein müdes Auge unter der Brille reibend. «Ich glaube, ich hätte noch gerne etwas Kaffee. Und das hier hat mir eben der Postbote gegeben.» Er streckte einen Brief vor.
    Janna nahm ihn entgegen. Kein Absender. Nur die geschwungenen Buchstaben R.G. Unter den tastenden Fingern erspürte sie eine feste Erhebung.
    Lucila half ihr aus, dem Doctor noch einen Becher des tiefschwarzen Gebräus zu geben, und er dankte höflich und ging wieder. Sie riss den Brief auf und entfaltete ihn. Ihr fiel das goldene Inkadreieck an seiner Lederschnur entgegen.
    Janna, Liebste, wie du siehst, habe ich das Schmuckstück nicht dazu verwendet, damit einen Gefängniswärter zu bestechen. Ich brachte es nicht über mich. Es soll dein bleiben. Komm nach La Jirara zurück. Die Hazienda wird wieder so schön werden wie zuvor. Wenn du nur da bist. Ich brauche dich.
    Kopfschüttelnd ließ sie das Blatt sinken und schloss die Augen.
    «Doña Janna?», fragte Lucila.
    «Augenblick.» Sie las weiter, erfuhr jedoch nur noch, dass er über Frau Wellhorn, die ‹Fregatte›, klagte, die wie ein Geist durch die Zimmer wanderte und jammerte, dass sie nach Hamburg zurück wolle. Und dann, höchst melodramatisch: Ich werde dich gegen jeden schützen, der sich unserem Glück in den Weg stellt. In unvergänglicher Liebe, dein Reinmar. Postscriptum: Ein Brief deiner Familie ist gekommen .
    Sie faltete die Nachricht zusammen, und weil sie nicht wusste, wohin damit, warf sie sie ins Herdfeuer. «Ich fahre nach La Jirara.» Ihre wenigen Münzen reichten noch für eine Mietkutsche. Es war ja unumgänglich; sie musste zu ihm, um ihm noch einmal begreiflich zu machen, dass er an einem Wolkenkuckucksheim herumbaute. Er musste es begreifen.
    «Du kommst mit, Lucila. Es ist unumgänglich, denn wir wollen den Doctor nicht kompromittieren. Aber ich werde Reinmar bitten, dass er dich ihm überlässt und du deine Freiheit hier abarbeiten kannst.» Ihre Position, etwas zu erbitten, wenn sie das, was er von ihr wollte, gleichzeitig abschlagen musste, war nicht die beste. Nun, man würde sehen.
    Sie fand den Doctor an seinem Schreibtisch. Er hatte ein

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