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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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ruckte wieder nach vorn, und sie knetete verärgert, dass er sie erwischt hatte, die Hände.
    «Er hat mich aufgezogen», sagte er. Anscheinend hielt er es für nötig, sein sonderbares Verhalten zu erklären.
    «Schwer …» Janna räusperte sich. «Schwer vorstellbar, dass Sie in diesen Häusern groß wurden.»
    Sie hörte das Netz rascheln. Wasser tropfte, als er den Waschlappen auswrang. «Gewohnt habe ich in einer der Hütten dahinten.»
    «Sind Sie Katholik?»
    «Kann man hier etwas anderes sein? Das Bild auf meinem Arm ist Maria Lionza, die Mutter Gottes. Ich habe mein Boot nach ihr benannt. Ist deine Neugier jetzt befriedigt?»
    Nicht, wenn er so redselig war. Das musste sie ausnutzen.
    «Wie kam es hier zu dieser Mission?»
    «Sie entstand mit den Welsern. Die sind einer Frau, die so viele Bücher besitzt, sicher ein Begriff.»
    Immerhin noch eine Antwort, wenn auch auf seine gewohnt bissige Art. Wenn Sie wüssten, wie viele ich daheim habe , dachte sie ebenso giftig. «Nein, leider habe ich über die Welser noch nichts gelesen.» Das war eine glatte Lüge, aber, zum Kuckuck, er sollte reden. «Wenn Sie bitte so freundlich wären und es mir erklären würden?»
    Er zögerte. Sie glaubte förmlich zu hören, dass es ihn ärgerte, sich mit dem Anschneiden des Themas eine Bringschuld aufgeladen zu haben. «Die Welser waren eine bedeutende Familie aus deinem Land. Spanien hatte ihnen erlaubt, über Venezuela zu herrschen.»
    «Und was hatten die Spanier davon?»
    «Sie bekamen Geld für die Rechte und später Gold und Sklaven.»
    «Also haben einstmals deutsche Händler als Spaniens Statthalter über dieses Land geherrscht?» Bis sie auf der Suche nach Gold umgekommen waren, das wusste sie ja. «Aber doch nicht im Delta?»
    «Nein, es ist zu unwirtlich.»
    «Aber den Franziskanern war es nicht zu unwirtlich?»
    Allmählich war es ihr zu dumm, ihm den Rücken zuzukehren. Noch immer kniete er an Frater Christophs Seite. Seine Hand lag an der Wange des Alten. Sein Blick war weich. Dann bemerkte er, dass sie ihn beobachtete; ruckartig stand er auf und ordnete den Inhalt des Kastens.
    «Sie wollten unter den Warao ihren Glauben verbreiten und was sie ihre Kultur nennen. Aber hier im Delta gelang das nicht. Trotzdem hat man die Mission nie aufgegeben. Vielleicht gerade deshalb. Sie stand schon oft leer. Weißt du, Mädchen …», in seinen Worten schwang wieder dieser höhnische Ingrimm mit. «Man kann überall auf viele Arten sterben: durch Krankheiten, Tiere, Räuber. Hier kommt noch die Macht des Deltas hinzu. Du hättest besser bleiben sollen, wo du hergekommen bist.»
    «Räuber, ach ja? So wie Sie einer sind? Tun Sie nicht so, als sei ich von einem paradiesischen Flecken hierher in die Hölle geraten. Ich komme aus einer vom Krieg gebeutelten Stadt. Ich habe auf deutsche Art reiten gelernt. Und meine Mutter starb bei meiner Geburt – ein Vorgang, den eine zähe Wilde hierzulande sicherlich leichter übersteht. Also geben Sie nicht so mit Ihren Gefahren an, ja?»
    Himmel, was brachte sie dazu, ihm so etwas zu erzählen? Sie lief hinaus.
    Der Leichengeruch war verschwunden; die Männer waren unter der Erde. Es wäre wohl angemessen gewesen, an den Gräbern zu beten. Doch es zog sie hinaus auf die Plantage. Verwilderte Bananenstauden, doppelt mannshoch, mit riesigen Blättern, beschatteten die Hütten. In welcher mochte Arturo gelebt haben? Janna betrat die erstbeste und fand nur eine alte Hängematte und von Tieren hinterlassenen Unrat, sonst nichts. In den anderen sah es nicht besser aus. Sie befingerte eine Hängematte, die noch stabil aussah. Ihr war aufgefallen, dass die Warao-Herrin nicht längs darin gelegen hatte, sondern quer. Janna tat es ihr nach, stieß sich mit dem Fuß vom Boden ab und schaukelte. Das war wirklich sehr bequem. Sie dachte an Oma Ineke, die für sie die Mutter ersetzt hatte. An die Zähigkeit der alten Dame und daran, dass sie einmal gesagt hatte, alle Siever’schen Frauen seien so. Deshalb hatte sie auch nichts dagegen gehabt, dass Janna nach Südamerika ging. Dich wird schon nichts umhauen . Na, wenn die Oma sie nun sehen könnte!
    Aus Richtung der Küche kam ein gequälter Aufschrei.
    Janna setzte sich auf. Sie ahnte, was geschehen war.
    ***
    Sie machte sich tunlichst unsichtbar, während er am Grab von Frater Christoph Abschied nahm. Hinter der Kirche hörte sie ihn in einer fremden Sprache reden. Er klang wütend, dann brach seine Stimme, und das folgende Schweigen hörte sich

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