An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
weiter.»
«Er entschuldigt sich, dass er wegen seiner körperlichen Schwäche und weil er allein war, den Schatz nicht mitnehmen konnte.» Janna ließ das Pergament sinken. «Der Mann muss die ganze Zeit am Tropenfieber gelitten haben …»
«Weiter!»
«Nichts weiter.» Sie begann an ihren zerstochenen Handrücken zu kratzen. «Mehr habe ich nicht herauslesen können.»
«Habe ich das richtig verstanden? Er verriet, wie der Ort aussah, wo er den Schatz versteckte, aber nicht, wie man ihn findet?»
«So ist es.»
«Mädchen, wenn du mich anlügst …»
«Das tue ich nicht!»
«¡Carajo!», fluchte er. «Was hat er sich dabei gedacht?»
Diese Frage hatte sich Janna ebenfalls gestellt. «Wahrscheinlich wollte er das noch schreiben – bevor ihn das Fieber dahingerafft hat. Der Brief ist nicht mehr unterzeichnet worden.»
Arturo setzte sich an ihre Seite. Sie presste sich dicht an die Armlehne der Bank, um zu verhindern, dass seine nach Männerart gespreizten Schenkel ihr Knie berührten. Vermutlich begann er bereits seine Ein-Mann-Expedition zu planen. Trotz allem. Hier gab es ja wohl auch nichts mehr, was ihn hielt.
«Sie verdanken mir das Wissen, dass flussaufwärts ein Schatz auf Sie wartet. Dafür könnten Sie mich nach Angostura bringen, finden Sie nicht auch?»
Er schnaubte. «Zu fordern hast du gar nichts, denn dein Wissen ist spärlich. Eine Mission des Vinzenz von Saragossa gibt es bis weit hinter Angostura nicht. Wer weiß, wie lange man den Fluss hinauffahren muss, um sie zu finden.»
«Was nichts daran ändert, dass Sie ohne meine Hilfe noch nicht einmal wüssten, in welche Richtung Sie aufbrechen müssten.»
Abrupt stand er auf, beugte sich über sie und stieß ihr den Finger vor die Brust, dass es wehtat. «Du verdankst mir dein Leben, hast du das vergessen?»
Sie sprang hoch. «Dafür haben Sie sich mit meinem Schmuck ja schon selbst entlohnt!»
Sein schwarzer Blick loderte; wütend entblößte er die Zähne – es fehlte nur, dass er fauchte wie eine Raubkatze. «Da ich an Angostura vorbeikomme, lasse ich dich dort heraus. Morgen früh brechen wir auf.» Er wandte sich ab und stapfte in die Küche.
Ein bohrendes Gefühl der Furcht machte sich wieder in Jannas Magen breit. Keinen Augenblick durfte sie vergessen, dass er ein Wolf war. Keinen Augenblick.
***
Zwei Reisetage später sah sie ihre wunderschöne Granatrose in den schmutzigen Händen eines Mannes verschwinden, der an Zwielichtigkeit Arturo noch übertraf. Wie auch alle anderen Bewohner dieses Dorfes. Oder war es nach hiesigen Maßstäben schon eine Stadt? Die Menschen lebten im Schatten einer zerfallenen Festung der Spanier. Es gab eine Reihe von Ziegelhäusern und etliche schäbige Hütten und Zelte. Mischlinge, Schwarze und Indios bevölkerten die einzige Gasse. Arturo hatte Janna angewiesen, nicht aus dem Boot zu steigen, und sie hätten auch keine zehn Pferde aus der Maria Lionza herausgeholt. Er kehrte mit Beuteln voller Proviant, zwei Messern, einem Kompass und Segeltuch zurück. Noch beim Ablegen sah Janna über die Schulter, wie der fette Kerl, der mit seiner bunt zusammengewürfelten Kleidung an einen Piraten erinnerte, einer leichtbekleideten Mulattin die Kette mit der Rose um den Hals legte.
«Das werden Sie bereuen», presste Janna zwischen bebenden Lippen hervor.
Japsend holte sie Luft, als ihr Kopf wieder außer Wasser geriet. Arturo packte sie am Kragen ihres Jäckchens und hievte sie zurück ins Boot. Dann kniete er neben ihrem zitternden Körper und hielt ihr das ekelhafte braune Zeug unter die Nase. «Gehorchst du jetzt, oder soll ich dich noch einmal in den Fluss werfen?»
«Sie … Sie … Widerling», keuchte sie. Mühsam schob sie sich in eine sitzende Haltung und lehnte sich schwer atmend an den Mast. Arturos ausgestreckte Hand folgte ihr. «Sie Widerling!», fauchte sie, langte in die schmierige Pampe und strich sie sich ins Gesicht, aufs Dekolleté und auf die Hände. Daran, dass er den Tabak selbst zerkaut und vor ihren Augen auf seine Hand gespuckt hatte, durfte sie nicht denken, sonst würde ihr übel.
«Du wirst mir noch dankbar sein», sagte er spöttisch und setzte sich wieder an die Ruderpinne, um die Maria Lionza zurück auf Kurs zu bringen.
Das Zeug war unangenehm auf der Haut. Aber sie musste ihm recht geben: Die Moskitos, die wie üblich unter dem Bananenblätterdach versammelt mitfuhren, ließen sie in Ruhe. Inbrünstig ersehnte sie, dass die Plagegeister sich stattdessen auf
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