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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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ein geregeltes Leben mit geregelter Arbeit. Mit festen Stunden und Urlaubswochen.
    Für Elisa und Toronto.
    Oder für Wolhynien.
    Er liebte Worte mit Ypsilon.
    Wie Wyoming.
    Wie beyond.
    Aber das Stift kündigte ihm.
    Das traf ihn mehr, als er erwartet hatte. Er fragte nach den Gründen. Der Abt wich aus. Aber Pater Anselm, der Administrator, mit dem Tom noch nie eine gute Gesprächsbasis hatte, erklärte, Tom sei zu weitschweifend in seinen Ausführungen. Sein Kollege, der Kunstgeschichte studiert hatte, werde die Führungen prägnanter gestalten und ihn ersetzen.
    Ein Magister. Prägnanter. Ersetzen.
    Elisa wusste mehr. Durch ihre neue Aufgabe in der Notariatskanzlei kannte sie Interna des Klosters.
    Warum also haben sie mir wirklich gekündigt, fragte Tom.
    Elisa zögerte.
    Sag –
    Du giltst als unzuverlässig.
    Hab ich je eine Führung abgesagt?
    Zu eigenbrötlerisch.
    Ah –
    Man hält dich für einen Atheisten.
    Ich weiß nicht, ob ich einer bin.
    Man hat dich noch nie im Sonntagsgottesdienst gesehen.
    Na und?
    Und man weiß, dass du in der Comunità della barca warst, das ist ihnen suspekt.
    Geht sie gar nichts an!
    Für Pater Anselm ist das eine Sekte.
    Zum Teufel, von wem wissen sie es eigentlich?
    Reg dich nicht auf, Tom. Die Kirche hat schon immer einen gut funktionierenden Geheimdienst gehabt, das ist ja nichts Neues.
    Stimmt.
    Man weiß auch, dass du dich für diesen Jesuiten mit dem Tyrannenmord interessierst.
    Juan de Mariana? Den kennen doch nicht einmal die Patres.
    Da täuschst du dich.
    Wollen sie eine neue Inquisition einrichten?
    Jetzt übertreib nicht.
    Was noch?
    Und dann –
    Das reicht noch nicht?
    Du hast sie öffentlich kritisiert, ihr „Genuss-Zentrum“ angegriffen, sie in der Dorfzeitung gefragt, ob diese Bezeichnung eines Klosterbetriebes würdig sei, und hast darauf verwiesen, dass man Rentner und Ausflügler mit Bussen hierher karre, nur, um sie zum Kaufen zu verführen.
    Entspricht aber den Tatsachen.
    Abermals zögerte Elisa.
    Was noch?
    Die Geschichte mit Amelie –
    Das geht sie schon überhaupt nichts an!
    Sie war noch so jung damals, und du kennst doch ihre offizielle Prüderie –
    Sie sollen lieber vor ihrer eigenen Tür kehren, da hat sich allerhand Staub angesammelt! Früher haben sie die jungen Mädchen einfach zu Hexen gemacht, um sie nackt und wimmernd vor sich sehen zu können –
    Lassen wir das, Tom, beruhig dich doch! Du brauchst die Patres nicht und du weißt selbst, dass nicht alle so denken. Es gibt doch den Pater Lukas, mit dem du so gut über Gott und die Welt reden kannst.
    Das ändert nichts, gar nichts.
    Tom war wütend und gekränkt.
    Im Dorf waren Stellen rar. Das Stift war, so schien es Tom, der Moloch. Das Stift bestimmte. Es thronte über den Häusern, den Handwerkern und Zulieferern. Es verteilte Arbeit, entschied, wer würdig war. Das Stift war ein florierender, weit verzweigter Wirtschaftsbetrieb mit Schule, Internat, einer berühmten Buchbinderwerkstatt mit Spezialisierung auf Restauration wertvoller Folianten, einer Werkstatt für Glasmalerei und einer Käserei, einer Landwirtschaft, einer Gärtnerei, einem Gastronomiebetrieb und so weiter. Das Dorf war immer nur Steigbügelhalter für eine Herrschaft gewesen, war es immer noch. Das Stift läutete dem Dorf zum Tag, es läutete zur letzten Ruhe. Niemand, auf den sein strafendes Auge fiel, konnte hier vorankommen.
    Fort.
    Jetzt, im anbrechenden Frühling, wäre eine gute Zeit für Griechenland.
    Parmenides bot Elisa und Tom an, sie mitzunehmen auf seine Erkundungsreise durch die Peloponnes. Tom war lustlos und niedergeschlagen seit der Kündigung, er brauchte Abwechslung. Roberta in ihrem mütterlichen Feingefühl hatte es kommen sehen. Sie blieb jedoch zu Hause, ein neues Enkelkind war geboren.
    Es wurden helle Wochen. Das Land lag in der Blüte. Affodill – Tom hatte immer ein Botanikbuch dabei –, Spiegelragwurz, Anemonen, Milchstern, Hermesfinger … Die Mandelbäume waren verblüht, aber Oliven hingen schon winzig an ihren Traubenständen, Orangenhaine trugen Früchte zu Millionen, kugelrunde Verführung kilometerlang. Weiße Schmetterlinge hielten Hochzeit. An den Südhängen lagen Schildkröten vor ihrem Bau. Wild schlug das Meer an die Klippen. Abends aßen sie Omeletten mit wildem Spargel, gefüllte Doraden mit frischen Zitronen. Nächte im Schlafsack, unter schwarzem Himmel und funkelnden Sternen, die morgens im Spiel der Sonnenreflexe auf glattem Meer wiedergeboren erwachten. Tempel und

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