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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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entdecken mochte.
    Das ist die Wahrheit, ich schwör’s.
    Brendan?
    Das Brummen des alten Kühlschranks. Das Klicken des Heizkessels im Keller. Wenn er den Kopf auf die richtige Art schräg legte, meinte er fast, eine Art Bewegung in den Mauern wahrzunehmen, als würde das Haus Atem holen, sich zu einer Antwort anschicken.
    Der Kessel klickte, rumpelte, sprang brausend an. Aus dem Lüftungsschacht in der Diele pustete warme Luft an seinem Hals und den Händen vorbei, so dass seine verkratzten, sich langsam aufwärmenden Hände zu kribbeln anfingen.
    Mark zog die Flasche heraus, nahm einen Schluck.
    Mit brennender Kehle und hämmerndem Herzen ging er den Flur entlang, an der Tür des Gästebads vorbei bis zum Wohnzimmer. Hier sandte eine hohe Stehlampe in der Zimmerecke lange Schatten zu der weißen Decke empor. Mark blieb am Fuß der Treppe stehen. Die Stufen waren schmal, steil, der Treppenabsatz tintenschwarz. Mark spürte förmlich seinen Sog.
    Noch nicht.
    Wie schon der Garten war auch das Wohnzimmer zu verändert, um darüber hinwegzusehen. Die Möbel waren die falschen, sie standen verkehrt; aus ihrer alten Schlafcouch mit den vielen bunten Überwürfen war ein langes, graues kubistisches Sofa geworden. Die Wände waren nicht mehr hellblau, sondern eierschalenfarben und gänzlich bilderlos, so dass die Schatten an ihnen weiter fielen, höher reichten. Der gläserne Couchtisch war frei von Spielsachen, Kaffeetassen, Wasserringen; ein Bambustablett mit einem Stapel Zeitschriften stand darauf und sonst nichts.
    In diesem Zimmer mit seiner brennenden Lampe ließ sich für ihn nur das Zuhause der Pelhams erkennen, nicht das der Fifes. Hier war Mark Fife er selbst: ein Mann, der in einem anderen Haus lebte; nicht länger Brendans Vater oder Chloes Ehemann. In diesem Zimmer war er der Mann, der Allison Daniel liebte – und somit ein Lügner und vielleicht auch ein Betrüger.
    Oder doch nicht? Hier – in diesem selben Raum – hatte er Brendan gezeigt, was die Perspektive ausmachen konnte. Sie hatten auf dem Sofa gesessen und sich abwechselnd das eine und das andere Auge zugehalten. Brendan war fasziniert davon gewesen, wie das Bild seiner Großeltern an der Wand hin und her rückte.
    Vielleicht lag es am Whiskey, aber Mark schien es, als würde das Haus auf die gleiche Art hin und her rücken; sein Herz rückte mit. Wenn er sich konzentrierte, sah er die alte Couch, den alten Polstersessel, die Bücherregale, den Flechtteppich mit seinen konzentrischen Ovalen, auf dem Brendan so viele Stunden seines kurzen Lebens verbracht hatte: Kinderspiele im Zentrum einer Zielscheibe.
    Altes Haus, neues Haus; Ehemann, Verlobter. Nur ein Augenzwinkern im rechten Moment, dann würde vielleicht Connie Pelhams Haus verschwinden, und dahinter käme das von Mark und Chloe zum Vorschein. Wenn das geschah, dann könnte er aus seinem jetzigen Leben heraustreten, zurück in das alte, wo Chloe und Brendan schlafend in ihren Betten lagen und er nur spät nach Hause kam. Dann konnte er sie wecken, sie in seine Arme nehmen. Ihnen sagen: Da bin ich.
    Er konnte Brendan sagen: Von jetzt an lasse ich dich nie wieder aus den Augen.
    Leicht schlingernd ging er hinüber zum Kaminsims. Kerzen in unterschiedlichen Höhen standen darauf und dazwischen Fotos in Metallrahmen. Über dem Kamin hing ein Gemälde, eine dunstige Pariser Straßenszene, anonym und furchtbar.
    Das erste Foto zeigte Connie. Sie trug einen Badeanzug und einen Wickelrock und stand auf einem Steg an einem Bergsee. Ein kleiner Junge in Badehose umschlang mit beiden Armen ihren Schenkel. Jacob. Auf diesem Bild konnte er nicht älter als fünf oder sechs sein, aber er hatte Connies rundes Gesicht, ihr dunkles lockiges Haar, ihren Hang zur Pummeligkeit. Er lächelte so breit, dass seine Augen nur zwei Schlitze waren.
    Auf dem nächsten Foto saßen Connie und ein noch kleinerer Jacob auf einem Sofa und schauten zusammen ein Bilderbuch an.
    Ein drittes Bild schien jüngeren Datums zu sein. Jacob, pummeliger als zuvor, saß auf den Türstufen dieses Hauses neben einem Mann, der eindeutig sein Vater war. Der Mann hatte dichtes schwarzes Haar, extrem haarige Unterarme und eine große eckige Brille. Sein einer Arm lag um Jacobs Schulter.
    Das war der Junge, der Brendan gesehen hatte. Ein tapsiger kleiner Bub, der seinen Vater vermisste.
    Marks Kehle war trocken, zugeschnürt. Er ging zurück in die Küche, ließ kaltes Wasser über seine schmutzigen Hände laufen und trank dann in langen

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