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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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nicht hart genug an. Diesmal zielte er unter die Gürtellinie: »Das hat nicht zufällig damit zu tun, dass Sie gern Ihre Hypothek loshätten, Connie?«
    Connie zog scharf die Luft ein und fuhr zurück, ungläubig blinzelnd. Aber er sah kein Schuldbewusstsein in ihren Zügen, nur neue Wut.
    Sie stieß ihn aus dem Weg. »Lassen Sie mich zu Chloe.«
    »Sie wollte ein bisschen allein sein«, sagte Mark behutsam. Sein Zorn war verpufft, jetzt empfand er nur noch Mitleid – mit sich, mit Chloe, Jacob, sogar mit der armen, törichten Connie. »Danach gehen wir gleich.«
    »Chloe kann bleiben.« Connies Stimme hatte zu zittern begonnen. »Aber Sie bitte nicht.«
    »Ich muss mit ihr reden, Connie.«
    Sie stürmte aus der Küche, ohne zu antworten, aber statt nach oben zu gehen, sank sie neben Jacob auf dem Sofa zusammen und schlang beide Arme um ihn – ihr lebendiges Kind.
    Mark stieg wieder die Treppe hinauf. Brendans Tür war immer noch zu. Er wusste nicht, wie viel Zeit er ihr lassen sollte, also setzte er sich ins Turmzimmer und wartete. Er starrte zu den Fenstern hinaus, auf das Rondell, auf die Straßen unter ihrer Schnee- und Eiskruste, die vereinzelten Flocken, die wie verbogene Sterne durch die Lichtkegel der Straßenlaternen trieben. Überlagert wurden sie durch die Spiegelung des erleuchteten Flurs hinter ihm. Wenn Chloe zu ihm herauskam, würde er sie sofort sehen.
    Wenn ein kleiner Junge über den Gang zu ihm getappt käme, würde er das wahrscheinlich auch sehen.
    Er schloss die Augen.
    Hier bin ich. Deine Mutter ist auch da. Deine letzte Chance. Wenn du jetzt nicht kommst …
    Er machte sich locker. Er dachte positive Gedanken. Er schlug die Mappe auf, die zu seinen Füßen lehnte, und holte seine Skizzen von Brendan heraus und legte sie sich auf den Schoß. Er sah wieder seinen Arm nach vorn schießen und Brendans Hemdzipfel zu fassen bekommen, sah sie beide im heißen Sommerwind an der Felskante schwanken, unter ihnen der tiefe grüne Abgrund.
    Komm schon, Brendan. Hier bin ich. Zeig mir, dass ich unrecht hatte.
    Fünf – vier – drei – zwei – eins …
    Mark öffnete die Augen. Der Flur hinter ihm war leer. Nirgends ein kleiner Junge.
    Null.
    Er wartete lange, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht noch mehr.
    Schließlich stand er auf, ging hinüber zu Brendans Tür und öffnete sie. Chloe saß auf ihrem Kissen am Fenster, den Kopf in den Nacken gelegt. Sie hatte alle Lichter gelöscht bis auf die Lampe auf der Holzkiste, die ihren langen Hals in ein dunkles Gold tauchte.
    Sie wandte den Kopf, langsam, blinzelnd. Ihr Gesicht war verquollen. Er kniete sich neben sie; sie sackte gegen seine Schulter. Sie roch nach Alkohol – und erst jetzt bemerkte Mark seine Flasche Maker’s von neulich, die leer an ihren Füßen stand. Sie musste sie hier oben gebunkert haben, als sie hinter ihm aufgeräumt hatte.
    »Er mag nicht mehr zu mir kommen«, sagte sie. »Er ist böse auf uns.«
    »Nein, das ist er nicht«, sagte Mark. »Komm, lass uns gehen, Liebling.«
    »Nein.«
    »Es ist das einzig Richtige.«
    »Ich kann ihn nicht allein lassen«, sagte Chloe.
    »Du lässt niemanden allein.«
    Ihr Mund näherte sich seinem Ohr.
    »Bleib bei mir. Bitte.«
    Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und lehnte sich noch weiter zurück, um ihm in die Augen zu lächeln. Ihre Haut hatte ein tiefes, buttriges Weiß angenommen. Eine ihrer klebrigen Handflächen drückte etwas Hartes, Glattes gegen seine Wange.
    Sie ließ die Hand sinken, schob sie in seine: wieder der harte Gegenstand. Er schloss die Finger darum und erkannte, was es war – das Fläschchen mit Brendans Milchzähnen aus ihrer Handtasche.
    Nein. Es war etwas anderes.
    Sie kippte zur Seite; er packte sie um die Taille, richtete sie wieder auf. Ihr Kopf pendelte schlaff. Ihre Lider klappten auf und zu. Er hob das Fläschchen vor sein Gesicht: Valium, zwei Milligramm. Stückzahl fünfzig. Er schraubte es auf. Nur eine Handvoll Tabletten war noch übrig.
    Sie hatte den Rest mit dem Whiskey genommen.
    Mit zitternden Fingern zog er das Handy aus der Manteltasche. Chloes Hand wedelte matt herum, patschte danach. »Warte«, murmelte sie. Ein feuchter Griff nach seinem Unterarm. »Mark«, sagte sie, mit so viel Liebe, wie er sich nur je hätte wünschen können. Mit der anderen Hand bog sie seine Finger um das Fläschchen.
    »Komm mit«, flüsterte sie. »Gehen wir zu ihm.«

NEUNUNDZWANZIG
    Als seine Entscheidung schließlich getroffen war – als Mark wusste,

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