An einem Tag im Januar
Kilo weniger. Er hatte Sechzig-Stunden-Wochen hingelegt, um seine Geschäfte wieder auf Kurs zu bringen, und schon eine hübsche kleine Summe für die Ankunft seiner Tochter gespart.
Er hatte sich außerdem – soweit sie das zuließ – um Allison bemüht. Ihr geholfen. Besorgungen für sie gemacht. Und seit letztem Monat traf er Umzugsvorbereitungen, denn wenn das Kind einmal da war, wollten sie so bald wie möglich nach Denver ziehen.
Ich muss raus aus dieser Stadt, hatte ihm Allie eines Abends im Juli erklärt, nach einer langen Schimpftirade über das schwüle Wetter. Ich halte es hier nicht mehr aus.
Wie wär’s mit Denver?, hatte er gefragt.
Sie saßen vor dem großen Fernseher in Marks klimatisiertem Wohnzimmer und sahen eine schlechte Komödie – wie in alten Zeiten, nur dass sich Allie jetzt auf dem Sofa nicht mehr an ihn kuschelte. Sie drückte die Pausentaste und starrte ihn an.
Meinst du das im Ernst?, fragte sie.
Ich gehe dahin, wo du und das Baby hingeht. Das habe ich dir gesagt, und das meine ich auch so.
An dem Abend gab sie ihm keine Antwort mehr, aber ein paar Tage später stand sie plötzlich vor seiner Tür, als er sich gerade zum Essen hinsetzen wollte.
Wenn es wirklich dein Ernst war, sagte sie, dann finde ich es eine gute Idee. Denver, meine ich.
Es ist mein Ernst, sagte er.
Zur Antwort verdrehte Allie, trotz der zögernden Annäherung in den letzten Monaten, die Augen.
Er war nicht eingestellt gewesen auf diese Zukunft, dieses Leben. Als Lew und sein Vater ihn Ende Januar aus dem Krankenhaus weggebracht hatten, wäre ihm der bloße Gedanke daran abwegig erschienen.
An dem Abend damals waren sein Vater und Lew mit ihm nach Hause gefahren. Einer der beiden hatte das Bett von Allisons Sachen freigeräumt und ihm befohlen, sich hineinzulegen. Mark hatte die zerwühlte Decke über sich gezogen, aber kein Auge zugetan. Er hatte nur in die Dunkelheit starren und an Chloe denken können, die in ihrem fernen, kalten Krankenhausbett lag, benommen und elend.
Am nächsten Morgen beim Frühstück schlug sein Vater ihm vor, für ein Weilchen zu ihm auf die Farm zu ziehen. Wie beim letzten Mal auch. Nur so lange, bis er etwas klarer sah.
Und Helen?, fragte Mark lustlos.
Sie wird es verstehen, sagte Sam. Sie will dir doch auch helfen, Mark.
Nach dem Frühstück rief Mark im Krankenhaus an. Er bekam Chloes Mutter an den Apparat, die ihm das Gleiche sagte wie die Ärztin: Es tue ihr leid, aber Chloe wolle nicht mit ihm sprechen.
Noch am selben Nachmittag fuhren sein Vater und Lew mit ihm nach Indiana.
Tags darauf meldete sich Mark nach einer weiteren schlaflosen Nacht bei Allison.
Er erzählte ihr, was passiert war. Chloes Selbstmordversuch ließ er weg. Er brachte es nicht über sich, die Worte laut auszusprechen. Aber sonst berichtete er Allison alles so wahrheitsgetreu wie möglich: dass er einem Betrug aufgesessen war und sich selbst gleich mitbetrogen hatte. Dass er nicht in das alte Haus zurückgehen würde. Dass Chloe ihm deshalb zürnte und dass er sie liebte, aber nicht wusste, wie es mit ihnen weiterging.
Er sagte Allie: Ich bitte dich nicht, mich zurückzunehmen. Ich rechne nicht damit, dass wir Freunde bleiben. Aber was ich dir gesagt habe, war ernst gemeint: Ich helfe dir und dem Kind auf jede Weise, die du für richtig hältst. Das verspreche ich dir.
Allison sagte: Deine Versprechungen interessieren mich einen Scheißdreck.
Ich weiß, sagte er. Ich bin bei meinem Vater, falls du mich brauchst.
Sie legte auf, ehe er mit dem Satz zu Ende war.
Lew arbeitete mit Mark einen Plan aus: Für die sechs Monate, die der Mietvertrag noch lief, würde Lew in Marks Haus ziehen und Allisons Anteil an der Miete übernehmen. Und wenn Mark von seinem Vater zurückkam, würden sie wieder Mitbewohner sein, wie früher. Lew schien richtig beglückt von der Idee.
Mark verkroch sich mehrere Wochen bei seinem Vater. Tagsüber, wenn Sam unterrichtete, arbeitete er. Manchmal aß er mit Sam und Helen zu Abend, doch ganz wohl fühlte er sich dabei nicht – Helen war nett zu ihm, aber er merkte deutlich, dass er ihr nicht ganz geheuer war. Für sie war er der durchgeknallte Versagersohn ihres Freundes, ein Mann, der ihrem Glück im Weg stand, ein Mann, der seine schwangere Verlobte sitzenließ, um auf Geisterjagd zu gehen.
Er konnte es ihr nicht verdenken. Er wusste selbst nicht, was er zu einem Mann wie ihm sagen würde.
Während dieser Wochen dachte er ununterbrochen an Chloe. Sehnte sich
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