An einem Tag im Januar
nach ihr, sorgte sich um sie.
Sam rief alle paar Tage bei Chloes Eltern an, um sich nach ihr zu erkundigen. Daher wusste Mark, dass Chloe zwei Tage in der Psychiatrie verbracht hatte, dann aber entlassen worden war und jetzt, wie Mark, vorerst bei den Eltern wohnte. Ihre Mutter war nicht sehr auskunftsfreudig, aber Sam ließ nicht locker. Und so erfuhr Mark auch, dass sie Chloe nicht mehr für gefährdet hielten, aber dass sie völlig in ihre Trauer versunken war.
Eines Abends drei Wochen nach Chloes Überdosis kam Sam von der Universität heim und sagte: Tja, heute hatte ich Chloe selber dran.
Mark machte ihnen gerade eine Suppe zum Abendessen heiß. Er drehte den Herd aus.
Was hat sie gesagt?
Sam setzte sich an den Tisch. Es geht ihr nicht gut, Mark.
Inwiefern?
Sie … sie ist nicht so weit wie du. Sie ist depressiv und konfus. Sie glaubt, dass du …
Was?
Sie glaubt, dass du sie im Stich gelassen hast, sagte Sam leise. Sie und Brendan.
In Mark tat sich ein Abgrund auf. Ich muss sie anrufen, sagte er. Ich muss mit ihr reden, Dad.
Das täte ich nicht.
Bevor Mark noch richtig protestieren konnte, fügte Sam hinzu: Mark, nimm’s mir nicht übel – ich habe ihr von Allie und dem Kind erzählt.
Jetzt setzte sich auch Mark hin. Sein Herz pochte langsam und schmerzhaft.
Was hat sie gesagt?
Sein Vater legte die Hand auf seine.
Sie hat gesagt: Danke für deinen Anruf.
Ein paar Tage darauf kehrte Mark nach Columbus zurück. In sieben Monaten würde er Vater werden; er hatte Allison versprochen, ihr mit dem Kind zu helfen. Es war nicht die Rolle, die er sich vorgestellt hatte, aber sie musste genügen.
Als er seinem Vater sagte, dass er heimfahren wolle, gelang es Sam bei aller Mühe nicht ganz, seine Erleichterung zu verbergen.
Zwei Wochen später nahm er wieder Kontakt zu Allison auf.
Ich würde dich gern zum Essen ausführen, sagte er beim ersten Mal, als sie abhob.
Ihre Stimme war abweisend. Das halte ich für keine gute Idee.
So meine ich es nicht, sagte er. Wir müssen lernen, miteinander auszukommen. Dem Kind zuliebe.
Sie antwortete nicht.
Wie soll ich ein brauchbarer Vater sein, fragte er, wenn ich nicht mal mit dir reden kann?
Allie traf sich mit ihm in einem Restaurant in Grandview. Sie war kaum im dritten Monat, man sah noch fast keinen Bauch. Als strahlend hätte er sie nicht bezeichnen wollen, dafür war sie zu nervös, zu geladen, aber die Schwangerschaft kleidete sie trotzdem, ihre Haut und das Haar schimmerten, ihre Augen waren dunkler, glänzender.
Er sagte: Darf ich dir sagen, dass du gut aussiehst?
Sie schüttelte den Kopf. Nur wenn ich dir sagen darf, dass du scheiße aussiehst.
Ab da verabredeten sie sich alle zwei Wochen zum Essen. Allison verbrachte die ersten drei Treffen damit, ihn mit Vorwürfen zu überhäufen, und parierte beim vierten alles, was er sagte, mit sarkastischen Bemerkungen. Er ließ es lächelnd über sich ergehen – es war ihr gutes Recht, sagte er sich, er verdiente es nicht anders.
Beim fünften Mal war sie endlich etwas entspannter. Er erzählte ihr, wahrheitsgemäß, dass er hart arbeitete. Dass er wieder zum Fitnesstraining ging. Ich will wieder der Alte werden, sagte er.
Mich stimmst du damit nicht um, erwiderte sie schließlich. Das weißt du hoffentlich.
Das habe ich auch nicht erwartet, sagte er.
Allie fixierte ihn über ihr Wasserglas hinweg. Nach einer Weile sagte sie: Und, interessiert es dich, dass es ein Mädchen wird?
Im Ernst?
Wir kriegen eine Tochter. Sie lachte – das erste Mal, dass er Allie wieder lachen hörte – und sagte: Gott, das arme Ding.
Eine Tochter, dachte er nur immer wieder.
Erzähl mir, was passiert ist, sagte Allie dann. Die ganze Geschichte .
Für diesen Moment hatte er schon geübt. Chloe wollte mich wiederhaben, sagte er. Ich bin darauf angesprungen. Ich hatte Angst vor der Zukunft, also habe ich die Vergangenheit gewählt. Ich habe sie immer geliebt, Allie. Ich weiß, dass du das nicht hören willst, aber alles andere wäre unwahr. Und plötzlich hat sie mich auch wieder geliebt.
Allie starrte in ihr Glas. Wahrscheinlich wünschte sie sich Wein hinein.
Hast du noch Kontakt zu ihr?
Nein. Seit dem Selbstmordversuch kein Wort mehr.
Auch diesen Teil der Geschichte hatte er eingeübt. Es war ein Test, und er hatte vor, ihn zu bestehen. Also erzählte er Allie alles. Sie lauschte stumm, die Hände flach vor sich auf dem Tisch, die Augen weit offen.
Du bist nicht die Einzige, der ich wehgetan habe, sagte er
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