An einem Tag im Januar
abgespült, und in einem Karton neben der Tür türmten sich leere Flaschen.
Aber bevor Sam ihn suchen kam, war Mark schon einmal wach geworden, allein und im Dunkeln. Er musste schlafgewandelt sein – wie sonst war es zu erklären, dass er plötzlich im oberen Flur auf den Dielenbrettern kniete, ganz außer Atem? Anscheinend hatte er geredet; der Klang seiner eigenen Stimme musste ihn geweckt haben. Es kam ihm vor, als wäre er einem Geheimnis auf der Spur gewesen, als hätte er auf der Schwelle zu einer Offenbarung gestanden. Er kniete vor Brendans Zimmer, er hatte irgendetwas vor sich hingeredet, und dann war er im Dunkeln aufgewacht.
Weil er betrunken war, sturzbetrunken.
Und Geister gab es nicht. Er glaubte nicht an Geister. Geister ergaben keinen Sinn.
Gut, als er in Brendans Alter war – im Alter von Connie Pelhams Sohn –, da hatte er an sie geglaubt. Mark war schon früh ein passionierter Leser gewesen, und noch mit zwölf hatte er so gut wie alles geglaubt, was in den Büchern stand, gerade wenn es dabei um Übernatürliches ging, um Nicht-Sichtbares, um die Ungeheuer, die – wie er sicher wusste – in den Schatten seines Zimmers lauerten, in den dunklen Ecken des Kleiderschranks, den ungenutzten, halbleeren Schlafkammern unterm Dach des Farmhauses, in denen sich die Stille dehnte.
Ein Buch hatte ihm besondere Angst eingejagt, eine Sammlung von Beiträgen über Spukhäuser auf der ganzen Welt. Eins dieser Häuser war das Pfarrhaus im englischen Borley – er erinnerte sich noch gut an eine Fotografie im Tafelteil des Buches, die einen blassen Fleck auf einer Treppe zeigte: angeblich den Geist irgendeines lang Verstorbenen. Wer war er? Das wusste Mark jetzt nicht mehr. Irgendeine verlorene Seele, die allnächtlich wieder dieselbe Treppe hinabstieg, auf den Spuren immer desselben alten Unglücks. Mark hatte sich zu fragen begonnen, wie das sein musste, wenn man ein Gespenst war – wenn man nichts anderes tat, als allein durch ein dunkles Gemäuer zu wandeln, auf der Suche nach einem Menschen, der einen hörte.
Auch Brendan hatte an Geister geglaubt. Er war oft schreiend aufgewacht in dem alten Haus – besonders mit vier, fünf Jahren, nach dem Tod von Chloes Großvater, Brendans erster Konfrontation mit dem Sterben. Ab da war das Haus für ihn voll der Drohungen aus dem Jenseits: Zweige klopften an sein Fenster, in den Leitungen pochte es, alte Schalbretter ächzten im Wind. Einer der »Geister«, die Brendan seufzen gehört haben wollte, war – fürchtete Mark – Mark selbst beim Sex mit Chloe.
Schließlich – eines Morgens um zwei, als Brendan, wie die Nacht davor auch schon, zum zweiten Mal hintereinander schreiend aus dem Schlaf aufgefahren war – führte Mark ein ernstes Gespräch mit ihm. Er erklärte Brendan, dass es so etwas wie Gespenster nicht gab, dass ihr großes altes Haus im Dunkeln zwar unheimlich sein konnte, aber wenn man das Licht anknipste, war alles gut. Mark saß bei Brendan am Bettrand, neben Brendans kleiner, fest in die Decke gewickelter Gestalt. Er drückte den Lichtschalter über dem Kopfbrett.
Das ist der Geister-Vertreiber, siehst du? Jetzt ist es dunkel. Aber jetzt machen wir Licht – und schau!
Da war es wieder, ihr Haus, ihr freundliches, fröhliches Haus mit seinen warmen Farben, Gelb und Türkis und Kürbisgold.
Die Gespenster existieren nur in deiner Phantasie, hatte Mark gesagt. Versprochen.
Und Brendan, die Bettdecke bis zu seinem spitzen Kinn hochgezogen, hatte tapfer gesagt: Dann glaub ich’s dir.
Aber zwei Nächte später wurde Mark wieder von Brendans angsterfülltem Schreien wach.
Daraufhin probierte er es mit einer anderen Strategie. Wenn du ein Gespenst siehst, sagte er Brendan, sag einfach: Dich gibt es nicht, und ich hab keine Angst vor dir. Immer wieder, bis du es nicht mehr siehst.
Und das funktioniert?, fragte Brendan misstrauisch, seine Augen noch rot und verstört.
Klar funktioniert das, versicherte Mark ihm im Brustton väterlicher Überzeugung. Sogar im Traum.
Und, Wunder über Wunder, es funktionierte tatsächlich. Brendan war ein ernsthafter Junge voller Zweifel und Ängste, doch er lernte es, seine Geister zu bannen. Immer wieder hörte Mark ihn in dieser Woche die Worte murmeln wie eine Zauberformel: Dich gibt es nicht, und ich hab keine Angst vor dir. Die Formel gab ihm den nötigen Mut, um sich aufzusetzen und den Geister-Vertreiber anzuknipsen, so dass das Licht bis in die hinterste Ecke reichte.
Mark stand auf und
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