An einem Tag im Januar
schaltete den Fernseher aus, und das Haus lag wieder im Dunkeln.
Erneut sah er sich dort oben im Flur knien, im Ohr den Widerhall seiner eigenen Stimme und, vielleicht, der von Brendan …
Nein. Das war absurd. Also jetzt alle zusammen:
Dich gibt es nicht! Ich habe keine Angst!
Er ging nach oben und legte sich wieder ins Bett. Allison wachte nicht auf.
Vielleicht, dachte Mark, war es das falsche Mantra gewesen. Vielleicht war er nicht weit genug gegangen. Vielleicht hätte er Brendan besser sagen sollen, dass die Geister überall waren: in den Kleiderschränken, in den Wänden, auf dem Dachboden, im Keller, auf der schmalen, knarzenden Treppe. Ganz besonders auf der Treppe.
Er hätte sagen sollen: Die Geister sind überall da, wo ich nicht bin. Nur bei mir bist du sicher. Bleib ganz nah bei Daddy, ja?
Bleib nah bei mir, und ich halte Wache.
SECHS
Am Tag darauf, Montag, konnte sich Mark nur schwer auf seine Arbeit konzentrieren. Sein Zorn auf Connie Pelham hatte sich über Nacht noch gesteigert – selbst während der zwei Stunden, schien ihm, für die er zuletzt doch noch eingeschlafen war. Er fühlte sich belauert von ihr, als sei sie selber ein Geist, der draußen vor seinem Haus herumwaberte und ihn mit seiner Geschichte bedrohte. Er ließ seinen üblichen Mittagskaffee im Cup O’Joe ausfallen, um ihr nicht am Ende dort in die Arme zu laufen. Bei jedem Telefonklingeln biss er die Zähne zusammen. Den ganzen Nachmittag, während er an seinem Computer saß, war er sich unbehaglich der offenen Vorhänge in seinem Rücken bewusst.
Ich habe keine Angst vor dir, Connie Pelham. Es gibt dich gar nicht.
Trotzdem ließen ihre Worte ihm keine Ruhe, wie eine wunde Stelle im Mund, an der die Zunge unwillkürlich immer weiter herumspielt.
Der kleine Junge, der hier mal gewohnt hat.
Er konnte nicht anders, er musste sich einen Schattenjungen vorstellen, einen aus der Luft geschnittenen Umriss, der schweigend in Brendans altem Zimmer stand und auf Connies Sohn herunterblickte.
Dich gibt es nicht.
Schon der bloße Gedanke, dass in ihrem Haus jetzt Connie Pelham und ihr Sohn wohnten, erschreckte ihn. Margie Kinnick hatte er dort nie besucht; wenn er an das alte Haus dachte, war es immer noch der Ort, der Chloes und sein Zuhause war. Der Ort, an dem sie zu dritt gelebt hatten, glücklich und wohlbehalten. Inmitten all ihrer Sachen, die über Boden und Tische verstreut lagen.
Wie hatte Margie es verkaufen können, ohne ihnen etwas davon zu sagen? Es schien ein solcher Verrat.
Mitten in ihrem größten Kummer hatten sie sich Margie anvertraut – mit ihrem Haus, ihren Erinnerungen an Brendan. Ich werde gut darauf achtgeben, hörte Mark sie noch sagen, als sie den Vertrag unterschrieben hatten. Macht euch gar keine Sorgen. Aber was hatte sie stattdessen getan? Das Haus verkauft, ohne es ihnen zu sagen, an die falscheste Familie, die sich nur denken ließ. So dass Mark morgen Abend, bei Brendans Geburtstagsessen, Chloe von Connie würde erzählen müssen, von Connie und ihrem Sohn.
Chloe, ich heirate Allison. Und so eine Bekloppte behauptet, Brendan würde in unserem alten Haus herumspuken. Wie geht’s Steve?
Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. In einer Stunde hatte er eine Verabredung mit einem Kunden, nur ein paar Blocks von Margie Kinnicks Büro entfernt. Was hinderte ihn daran, nach seinem Termin in Margies Büro zu marschieren und sie zur Rede zu stellen – sie mit denselben Worte zu konfrontieren, die er sich hatte anhören müssen? Sollte sie ruhig wissen, was sie da angerichtet hatte!
Und dann, als er den Mantel anzog, war er sich sicher: Er würde es tun. Er hatte Margie vertraut, und sie hatte ihn verraten, ihn und Chloe und sogar Allison. Connie Pelham hatte so viel Leid verursacht, warum sollte Margie Kinnick verschont bleiben?
Zwei Stunden später stieg Mark mit klopfendem Herzen die Stufen zu dem zweigeschossigen Bürohaus in Grandview hinauf (nur eine Meile Luftlinie von der Locust Avenue, viel zu nah für Marks Geschmack), in dem Margie ihr Maklerbüro hatte. Nichts hatte sich hier verändert, seit Chloe und er vor fast sechzehn Jahren mit dem Handzettel für ihr zukünftiges Haus beklommen durch diese Tür getreten waren. Der Vorraum führte auf denselben niedrigen, breiten Empfangstisch zu, derselbe makellos saubere grüne Teppichboden schluckte den Klang seiner Schritte; in der Luft lag derselbe verstörende Geruch nach Geld. Geld hatten auch Chloe und er 1992 ganz unerwartet gehabt, aber
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