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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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die pennälerhaften Schuldgefühle seines Sohnes gespürt? Marks Wangen glühten.
    Sam lächelte. »Helen amüsiert sich fabelhaft. Sie findet euch beide wunderbar.«
    »Wir sie auch«, sagte Mark. »Ich fürchte, Allie lässt sich vom Fleck weg von euch adoptieren.«
    Sam lachte in sich hinein. »Sei ganz ehrlich, Mark. Magst du sie?«
    »Ja, Dad. Sehr sogar.«
    »Gut«, sagte Sam. »Gut. Ich habe nämlich eine Neuigkeit für dich. Helen und ich – wir haben beschlossen, eine Wohnung zu mieten. Zusammen.«
    Es traf Mark doch. Er hätte hunderterlei Dinge sagen können, aber die Frage, die dümmlich aus ihm herausplatzte, war: »Und was wird mit dem Haus?«
    Sam ging zur Anrichte hinüber. Er schüttete Sahne in einen der Kaffeebecher und trank einen Schluck. »Wir wären im Sommer und an den Wochenenden dort. Die Fahrerei wird langsam viel für mich.« Er wurde rot. »Und … es ist nett, jemanden dazuhaben, abends.«
    Mark durfte jetzt nicht kneifen. Sam hatte auch nicht gekniffen, als er von Marks Verlobung erfahren hatte. »Dad«, sagte er und lächelte, »ich freu mich für euch.«
    Er und sein Vater umarmten sich. »Und du wirst wen haben, der dich im Rollstuhl rumschiebt«, sagte Mark.
    Sam spielte den Entrüsteten, aber nur für einen Moment, ehe er Mark seitlich in den Arm nahm – länger, als Mark erwartet hätte.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sein Vater. »Du siehst ein bisschen verhärmt aus.«
    Eine Irre denkt, dass Brendan ein Geist ist. Ein Geist, der nach seinem Daddy ruft. Und ich habe endgültig mit Chloe gebrochen. Außerdem trinke ich wieder.
    »Ich hatte ziemlich viel Arbeit in letzter Zeit.«
    »Sonst nichts? Mir kannst du’s sagen.«
    »Ich weiß. Alles in Ordnung.«
    Sein Vater schaute in seinen Becher und nickte. »Das wollte ich dir auch noch erzählen. Ich habe gestern Chloe angerufen. Ihr fröhliche Weihnachten gewünscht. Sie klang … merkwürdig.«
    Mark wurde starr. Vor Sam Fife hielt man nichts so lange verborgen. »Inwiefern merkwürdig?«
    »Schwer zu sagen. Wir haben nicht lange geredet. Sie hat im Prinzip frohe Weihnachten gesagt, und das war’s.« Sam spitzte die Lippen. »Habt ihr … Kontakt?«
    »Nicht mehr.« Mark wägte seine Worte sorgfältig ab. »Wir hatten – wir hatten vor Kurzem einen kleinen Zusammenstoß. Ich habe ihr gesagt, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will.«
    Die Furchen um Sams Mund vertieften sich. »Darf ich fragen, warum?«
    Mark konnte ihn nur anlügen. »Ich habe ihr erzählt, dass ich wieder heirate.«
    Sam legte Mark die Hand in den Nacken – eine schwere Hand, schwieliger als unter Gelehrten üblich. Er schien etwas antworten zu wollen, aber in dem Moment kamen Allison und Helen in die Küche, beide lachend. Sein Vater drückte Marks Nacken noch einmal, dann ging er zu Helen und legte ihr den Arm um die Taille, allerdings nicht ohne einen neuerlichen Blick zu Mark. Ich weiß, wie das ist , sagte dieser Blick.
    Die vier setzten sich wieder um den Esstisch. Marks Vater ließ seinen Arm auf Helens Schultern liegen und betrachtete lächelnd und liebevoll Mark. Allie und Helen, die neuen besten Freundinnen, lachten und schwatzten quer über den Tisch.
    Mark fragte sich, ob sein Vater sich möglicherweise gerade bei dem gleichen Gedanken ertappte wie er: dass ihm gegenüber eine wunderbare Frau saß, schön, fröhlich, ein absoluter Glücksgriff – und doch vermisste er plötzlich brennend ihre Vorgängerin.

DREIZEHN
    Die folgende Woche erlebte Mark wie durch einen Nebel. Der Besuch bei Allisons Familie verlief ohne Zwischenfall. Sam und Helen waren auch mitgekommen, und Mark fühlte sich sogar äußerst wohl inmitten all der betriebsamen Geselligkeit.
    Aber kaum waren die beiden wieder nach Indiana abgereist, legte Mark sich mit einer schweren Grippe ins Bett. Drei Tage warf er sich ächzend und schwitzend herum. Seine schlimmsten Fieberträume – verworren, endlos – handelten von dem alten Haus, von Brendan, Brendans Körper auf der Treppe. Er träumte, dass Chloe zusammen mit Connie Pelham Brendan badete, der ein Säugling war. Manchmal rief ihn Brendan auch – Daddy! –, und dann wurde Mark jedes Mal mit einem Ruck wach, zutiefst dankbar, dass dieser schreckliche Ruf nicht echt war, und zugleich wie stets aufs Neue verzweifelt, dass er nicht den Gang hinunterlaufen und Brendan trösten, ihn küssen und ihm sagen konnte: Alles gut, ich bin ja da .
    Mehr als einmal starrte er nach solchen Träumen trübäugig ins Dunkel und

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