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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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dachte an Connie Pelham und ihren Sohn – fragte sich, ob sie schliefen oder ob auch sie plötzlich hochgeschreckt waren in ihrem großen, düsteren, knarzenden Haus.
    An Silvester trafen sie sich auf Lews Vorschlag mit ihm und seiner Freundin Heather in einer Bar in der Innenstadt. Als sie ankamen, hatte Lew schon ganz leicht einen sitzen, und Mark war froh darum; es war der erste von Lews Anrufen, den er entgegengenommen hatte, seit er ihm in Short North davongelaufen war, und er hoffte, dafür nicht zur Rede gestellt zu werden. Lew umarmte erst Allie und dann Mark, und als er ihn losließ, fragte er: »Alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut«, sagte Mark. »Ehrlich.« Lew sah ihn skeptisch an, schwieg aber.
    Er hielt sich an einem Glas Wein fest, während Allie fröhlich drauflostrank. Mark gönnte es ihr; sie hatte bei ihm noch weit mehr gut als Lew. Trotzdem stand er die meiste Zeit nur still und stumm da und sah Allie und Heather beim Tanzen zu. Um Mitternacht hielt er Allie in den Armen, während sich auf dem Fernsehbildschirm die Kristallkugel am Times Square senkte, küsste, als die Kugel unten angekommen war, Allies tequilabitteren Mund und schwankte dann mit ihr zu »Auld Lang Syne« hin und her, wobei dieses rührselig-schleppende Besingen alter Freundschaft ihm wie immer die Kehle zuschnürte. Er sah, dass Lew ihn beobachtete, und fragte sich, ob sie wohl an dieselben alten Freunde dachten. Dann strömte die gesamte Bar hinaus auf die Straße. Durch die Lücken zwischen den Hochhäusern sahen sie die Raketen in trägem Bogen hochsteigen, zerbersten und ihre Funken über dem tintenschwarzen Scioto River ausschütten.
    Um ein Uhr zog Allie an Marks Hand und murmelte: »Heimfahren, bitte«, und sie verabschiedeten sich. Vorher jedoch umarmte Lew Mark noch einmal. »Ruf mich an, ja?«, sagte er. »Ganz egal, was.« Mark versprach es, einen seltsamen Druck im Magen.
    Vor ihrem Haus angekommen nahm seine Verlobte in schwarzem Cocktailkleidchen und High Heels die Stufen zur Haustür hinauf mit Bravour, Mark dagegen rutschte auf einer Eisplatte aus und krachte mit solcher Wucht auf die Hüfte, dass er erst einmal keine Luft mehr bekam. Er schaffte es, nach drinnen zu humpeln und sie beide ins Bett zu verfrachten, aber am nächsten Morgen war die blauschwarz verfärbte Hüfte das geringste seiner Probleme – als er sich in die Vertikale zu hieven versuchte, schoss ihm ein siedender, weißglühender Schmerz ins Kreuz und blieb dort.
    Allison half ihm die Treppe hinunter zum Sofa, wo er so gut wie reglos zwei Tage festsaß, Football sah und las. Allie versuchte gute Miene zu machen, aber er wusste, dass ihr allmählich der Geduldsfaden riss.
    »Es tut mir so leid«, beteuerte er ihr immer wieder.
    »Du kannst ja nichts dafür«, antwortete sie dann.
    Doch statt mit ihr zu reden, brütete er. Einer seiner Grippeträume wurzelte sich in ihm fest, nahm bedrohlichere Züge an: Immer wieder sah er Chloe und Connie Pelham unsichtbar dabei zu, wie sie den schreienden Säugling Brendan badeten.
    Chloe hatte Connie geglaubt – oder ihre Geschichte zumindest nicht abgetan. Das hieß, dass sie mittlerweile wahrscheinlich in ihrem alten Haus gewesen war, um zu sehen, ob etwas daran war. Und Mark hatte ihr verboten, sich jemals wieder bei ihm zu melden. Bei dem Gedanken empfand er einen Schmerz, eine Eifersucht fast wie als Teenager: Chloe kehrte in das Haus zurück, in dem sie gewohnt hatten, ohne ihn. Was immer ihr dort geschah, was immer für Erinnerungen in ihr hochstiegen, sie war allein.
    Sie brauchte ihn nicht. Sie wollte ihn nicht dabeihaben. Wobei er ohnehin nicht mitgekommen wäre, selbst wenn sie darum gebeten hätte. Das sagte er sich immer wieder.
    Seit Wochen mied er jetzt schon die Ecke im Wohnzimmer, wo seine Fotos von Brendan hingen. Aber als er nun mit seinem wehen Rücken auf dem Sofa lag, spürte er die Bilder im Nacken wie einen Magneten, so dass er sich immer wieder unter Schmerzen verrenkte, um sicherzugehen, dass sie noch da waren: Brendan auf der Verandaschaukel. Brendan im Matrosenanzug, der auf ein Osterei zuwackelte. Brendan mit fünf, der in die Kamera zeigte, ein zahnlückiges Grinsen im Gesicht.
    Der nach seinem Daddy rief .
    Du bist krank im Kopf, hatte Chloe zu ihm gesagt. Einfach nur krank.
    Am Samstag nach Silvester rief Allisons Schwester Darlene an. Mark hörte Allies bestürzten Ausruf bis in sein Büro – er hatte zu arbeiten versucht – und humpelte hinüber ins Schlafzimmer, wo

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