An einem Tag im Januar
lauschte hingebungsvoll.
Sam, so berichtete er, hatte in einem kleinen Club in Broad Ripple einer Jazz-Combo zugehört, in der einige Mitglieder der Musikfakultät mitspielten. Helen war ihm im Publikum aufgefallen. »Weil einem Helen eben auffällt«, sagte er. »Und ich dachte bei mir, das ist eine Frau, mit der ich mit Sicherheit nie ein Wort wechseln werde. Sie war von Bewunderern umdrängt.«
»Wieder gelogen. Ich war mit einem Mann da, aber es war kein sehr befriedigendes Date.«
»Hast du Sam auch bemerkt?«, fragte Allison.
Helen strich Sam über die Hand. »Ich habe ihn gesehen, ja. Er saß für sich allein und wirkte völlig entspannt. Er wirkte cool .«
Eine ganz neue Perspektive für Mark: sein Vater, ein Mann, von dem Frauen Notiz nahmen. Der cool wirkte.
»Wie auch immer«, sagte Sam, »als ich am nächsten Tag zu dieser grässlichen Ausschusssitzung kam, dachte ich womöglich sogar ein bisschen an diese hinreißende, jazzbegeisterte Amazone, die ich am Abend vorher gesehen hatte. Und dann schaute ich auf – und da war meine Amazone und setzte sich direkt neben mich!«
»Und ich hab mich so gelangweilt«, sagte Helen, »dass ich anfing, ihm Zettelchen zu schreiben.«
Helen lächelte Sam an, schob ihr Haar von der Schulter weg. Sein Vater, tief verlegen, lächelte schief zurück. Sie sagte: »Eine Stunde später habe ich ihn gefragt, ob er mit mir danach noch was essen gehen möchte. Und weil Sam Sam ist, habe ich striktes Verbot zu sagen, dass der Rest …«
»… in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist «, ergänzte Mark.
Helen grinste ihn an. »Und ihr beiden?«
Mark und Allie hatten ihre Version parat. »Wir haben uns bei einer Tagung kennengelernt«, sagte Allie. »In Newark.«
»Newark!«, sagte Helen.
»Der Geschmack von Freiheit und Abenteuer«, sagte Mark, und Helen lachte, wie sie sollte.
Er überließ das Erzählen Allison. Vorletzten Herbst hatten sie und Mark beide für Webdesign-Firmen in der Innenstadt gearbeitet, und beide waren sie zu einer Tagung nach Newark geschickt worden. Zufällig hatten sie bei einem der Vorträge nebeneinander gesessen. Mark hatte eine Ohio-State-Mütze aufgehabt, und Allie hatte sich während einer der uninspirierteren Stellen zu ihm herübergebeugt und geflüstert: O! H!
»Und ich habe brav geantwortet …«, setzte Mark an.
»Man muss antworten: I, O «, erklärte Allie Helen, die verwirrt dreinschaute. »Wie im Stadion.«
Helen nickte vorsichtig.
Allie erzählte weiter: Keiner von ihnen hatte irgendjemanden auf der Tagung gekannt. Nach dem Vortrag hatten sie sich noch ein Weilchen an der Bar unterhalten. »Danach liefen wir uns ständig über den Weg«, sagte Allie. »Wir stellten fest, dass wir denselben Flug zurück nach Columbus gebucht hatten. Wir haben am Flughafen noch geredet, und dann hat Mark Plätze getauscht, damit wir im Flieger weiterreden konnten. Dann haben wir zusammen ein Taxi vom Flughafen genommen, und am Ende der Taxifahrt fanden wir, dass wir eigentlich auch noch zusammen was essen gehen könnten. Gesagt, getan.« Allie lächelte ihr strahlendstes Lächeln. »Tja, und das war’s dann.«
Die gleiche Geschichte hatten sie Sam aufgetischt, als Mark ihm Allison vorgestellt hatte. Wie Helen hatte auch er gelächelt und sie geschluckt. Natürlich konnte Sam sich denken, dass das nicht alles gewesen war; er, Helen – sämtliche Freunde, denen sie es erzählten – wussten ja, dass Allie frisch geschieden gewesen war, dass Mark seine Familie verloren hatte; niemand, der sie kannte, konnte ernsthaft glauben, dass sie so mühelos zueinandergefunden hatten. Aber diese Schleife, mit der sie ihre Geschichte verzierten – Und das war’s dann! –, erlaubte allen zu lächeln und zu nicken und es dabei bewenden zu lassen. Es war eine Floskel, und alle ihre Freunde gaben sich damit zufrieden – mit der Wahrheit hatte es allerdings nicht viel zu tun.
Die Wahrheit sah so aus: Als der Vortrag zu Ende war, hatte Mark – einsam und in einem Anfall von Kühnheit, den er sich bis heute nicht erklären konnte – Allie gefragt, ob sie mit ihm essen gehen wolle. Sie wollte, nach dem Essen gingen sie noch in sein Zimmer, um zu reden, und das Ganze endete mit geräuschvollem Verzweiflungssex auf der Couch von Marks Suite.
Jetzt fing Allie Marks Blick ein. Ihr linker Mundwinkel bog sich ganz leicht nach oben.
Er flüchtete in die Küche, wo er den Blueberry Crumble auf die Schälchen verteilte und Kaffee aufsetzte. Er lauschte den
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