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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Das Geräusch ließ Mark zusammenfahren. Er langte hinunter in die Wiege, aber Brendan wand sich nur ein bisschen und schmatzte. Mark berührte seine seidige Wange mit dem Zeigefinger, zog ihn wieder zurück.
    Als er sich aufrichtete, waren Chloes Augen offen.
    Sie sagte: Ich hab gehört …
    Er schob seine Hand über ihre.
    Schlaf du, wisperte er. Ich pass schon auf.
    Sie lächelte, liebkoste mit dem Daumen sein Handinneres.
    Ich weiß, sagte sie, und dann schloss sie ganz langsam die Augen.

ZWÖLF
    Sam und Helen kamen am späten Nachmittag des Vierundzwanzigsten. Allison, die in der Küche in mindestens einem Dutzend Töpfen gleichzeitig rührte, schrie zu Mark hoch, als es klingelte. Er trottete die Treppe hinunter – er hatte zu arbeiten versucht, seine Schläfrigkeit mit einem dritten Kaffee bekämpft –, wischte sich die mit einem Mal feuchten Handflächen an seiner Jeans ab und öffnete die Tür. Sein Vater stand unter dem Vordach, in jeder Hand eine Einkaufstüte mit Weihnachtspaketen. Neben ihm stand Helen: blond, groß – bestürzend groß. Sie war kaum kleiner als Sam.
    »Hereinspaziert!«, sagte Mark mit einer Stimme, die ihm sonderbar zu dröhnen schien.
    »Mark«, sagte sein Vater und machte das Kinn lang. »Helen Etley.«
    Mark wusste nicht recht, wie er sich Helen vorgestellt hatte – klein und grauhaarig wahrscheinlich. Aber obwohl er von Sam wusste, dass Helen jünger war, hatte ihn nichts auf die Frau vorbereitet, die nun vor ihm stand: gertenschlank, mit unbefangenem Lächeln und fast animalisch grünen Augen. »Mark«, sagte sie – auch ihre Stimme dröhnte ein bisschen – und nahm seine Hand in ihre beiden. »Wie schön, dich kennenzulernen.« Sie zog ihren langen dunkelblauen Mantel aus; darunter trug sie einen langen Rock und einen blauen Pullover, der – es war unmöglich zu übersehen – einem beachtlichen Busen zur Geltung verhalf. Und sie sollte achtundvierzig sein? Er hätte ihr zehn Jahre weniger gegeben. Wenn sie ihm auf der Straße begegnet wäre, hätte er sich nach ihr umgedreht.
    Helen begrüßte Allison, deren Gesicht staunend aufleuchtete – auch sie wusste ein Rasseweib zu würdigen, wenn sie eins sah. Und im nächsten Moment waren Allie und Helen zur Hausführung aufgebrochen, und Mark und sein Vater luden die Koffer und noch weitere Tüten mit Geschenken aus dem Pick-up aus.
    Sein Vater war steif und wortkarg vor Nervosität. Er mied Marks Blick.
    »Dad, sie ist eine Wucht«, sagte Mark, als er die Heckklappe einrasten ließ.
    Sein Vater wiegte den Kopf. »Der Hammer, wenn schon.«
    »Der Megahammer, Dad! Wenn schon!«
    »Mach dich nicht über mich lustig.« Sams Ohren hatten feuerrote Ränder – nicht von der Kälte, dachte Mark. »Ich tu mich auch so schwer genug.«
    Mark unterhielt sich mit Sam und Helen im Wohnzimmer, bis das Essen fertig war, aber erst, als sie alle vier um den Tisch saßen und Helen eine verblüffend witzige Geschichte über einen Studenten zum Besten gab, der aus dem Internet abgeschrieben hatte, begann Mark zu begreifen, was ihn an ihr so schockierte – warum er seit einer halben Stunde gar so verkrampft lächelte: Nie im Traum wäre er darauf gekommen, dass Sam sich mit jemandem einlassen könnte, der so völlig anders als Marks Mutter war.
    Wenn er sich Helen vorgestellt hatte, hatte er eine Frau vor sich gesehen, die klein war, mollig, erdverbunden. Die niemals die Stimme erhob, die ihre Meinung für sich behielt, bis man sie danach fragte. Und nun präsentierte ihnen Sam eine Partnerin, die so groß war wie er, eine forsche, selbstbewusste Person, die – Mark hörte es ja – ihre Zuhörer ganz ähnlich im Griff hatte wie sein Vater.
    Helen beendete ihre Anekdote zu viel Gelächter, nicht zuletzt ihrem eigenen.
    »Und wie habt ihr zwei euch kennengelernt?«, fragte Allison. Sie saß neben Mark, ihr Knie an seins geschmiegt, und vibrierte förmlich vor Anbetung für Helen Etley.
    »Erzählst du’s, Sam?«, fragte Helen.
    »Mir lässt sie immer die drögen Geschichten«, sagte sein Vater. »Es war bei einer Ausschusssitzung. Einer Sondersitzung zur Revision der Universitätsstatuten.«
    »Lügner. Wir hatten uns am Abend vorher schon getroffen.«
    Sam schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich hatte dich am Abend vorher schon gesehen. «
    Helen berührte Sams Hand. »Ich glaube, Allison hätte lieber die romantische Version.«
    Sein Vater errötete wieder. »Es war bei einem Konzert.«
    Allison hatte die Finger vor sich verschränkt und

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