An einem Tag im Januar
wahr?«
»Ja«, sagte er.
»Ich weiß nicht, was es war«, sagte sie leise. »Wie wir diese Kälte zwischen uns aufkommen lassen konnten. Vielleicht hatten wir einfach zu viel um die Ohren. Vielleicht hätten wir die Kurve ja gekriegt, wenn Brendan am Leben geblieben wäre. Aber ich möchte, dass du weißt … ich möchte …«
Mit angehaltenem Atem wartete er.
»Du sollst wissen, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben«, sagte sie. »Selbst in der schlimmsten Zeit. Selbst nachdem ich dich verlassen hatte. Aber ich war taub für alles. Ich konnte nur an mich denken, an meine Wut. Du hast mir immer wieder gesagt, dass wir es hinbiegen können. Du hast gebeten und gebettelt, dass ich dir glaube, aber ich habe dir nicht geglaubt, und ich weiß, das, worum ich dich jetzt bitte, ist noch schwerer, aber …«
Er weinte jetzt. Alle beide weinten sie.
Sie sagte: »Aber was ich getan habe, darf bitte nicht der Grund dafür sein, dass du mir jetzt nicht glaubst. Es tut mir leid, dass ich gegangen bin. Ich bereue es mehr, als du dir jemals vorstellen kannst. Aber bitte …«
Gleich würde sie sich an seine Brust werfen, sich bei ihm ausweinen, ganz sicher, und auch er wollte ja nichts anderes, wollte …
Wollte das Gleiche wie immer schon: es alles wiedergutmachen.
Sie hatte ihm verziehen. So viele Jahre seit dem Unfall, und nun erhielt er endlich die Absolution. So viele Jahre seit dem Unfall, und endlich brauchte sie seine Hilfe. Sie hatte nie aufgehört, ihn zu lieben.
Er konnte nicht anders. Keine Macht der Welt hätte ihn davon abzuhalten vermocht, sie in die Arme zu nehmen. Er hielt sie und bat seinerseits um Vergebung. Zählte wieder alles auf, wodurch er schuldig geworden war, während sie den Kopf dazu schüttelte.
Als er geendet hatte, lehnte sie sich an ihn, presste ihre nasse Wange an seine. »Bitte«, sagte sie wieder, aber er machte nur »schscht« und bog den Kopf zur Seite, um ihr Haar zu küssen, und schloss die Augen und roch ihren Duft und spürte den Druck ihrer zaundürren Arme, ihre Rippen unter der dünnen Wolle ihres Pullovers – Chloe, die dahinschwand, als wäre sie mit einem Fluch belegt, Chloe, seine Chloe, die nach ihm rief, die ihn brauchte –, und er nickte, seine Wange fest an ihre Schläfe gedrückt.
»Nimm mich mit hin«, sagte er. »Zeig es mir.«
ACHTZEHN
Auf dem Weg vom Gewächshaus zum Parkplatz machten sie Pläne. Connie und Jacob würden heute Abend wieder zu Connies Cousine aufbrechen, erklärte Chloe. »Wir können morgen hin«, sagte sie. »Wenn dir das passt.«
Mark merkte, dass er enttäuscht war; am liebsten wäre er sofort losgefahren.
»Und später heute Abend?«
»Da kann ich dummerweise nicht. Ich muss von hier gleich zu meinen Eltern. Einer von meinen Onkeln ist in der Stadt. Außerdem macht meine Mutter sich Sorgen – um mich. Ich muss mich wieder mal bei ihnen blicken lassen.« Sie lächelte ihn an. »Morgen ist es besser. Da können wir uns Zeit lassen.«
»Deine Eltern wissen nicht Bescheid?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie würden es nicht verstehen.« Natürlich, wie auch. Die Rosses waren strenggläubig; für sie musste ein Medium eine mindestens so verstörende Vorstellung sein wie für Marks Vater, wenn auch aus anderen Gründen.
Als könnte sie seine Gedanken lesen, fragte Chloe: »Hast du es denn Sam erzählt?«
»Nein«, sagte er. »Tätest du das?«
Sie stieß ein kleines ängstliches Lachen aus.
Tja. Sie waren allein mit ihrem Wissen, ihren Plänen. Wie konnte es anders sein? »Dann also morgen«, bestätigte er mit einem Gefühl der Benommenheit. Morgen, wenn Allison sich mit ihm aussprechen wollte.
Sie standen neben seinem Auto. Ein kalter Wind blies ihm Strähnen von Chloes Haar ins Gesicht. Sie drückte seine Hände, reckte sich dann hoch und umarmte ihn, und bevor sie losließ, küsste sie ihn auf die Wange. »Danke«, sagte sie.
Sie überquerte den Parkplatz, stieg in ihren Wagen und fuhr weg. Die feuchte Stelle von ihrem Kuss war schon bald so kalt, dass es brannte.
Er saß in seinem Auto, das sich langsam aufwärmte, und wollte gerade anfahren, da klingelte sein Handy: Lewis.
»Mein Gott, endlich«, sagte Lew, als er sich meldete. »Wo steckst du?«
»Nirgends«, sagte Mark.
»Mich hat gestern Abend Allie angerufen.«
Mark zuckte zusammen; das hatte er schon wieder verdrängt gehabt. Lew musste krank vor Sorge um ihn gewesen sein. »Hier laufen ein paar komische Sachen«, sagte er und konnte selber kaum fassen, wie
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