An einem Tag im Januar
entschuldigen, bis sie schwarz wird. Das ändert nichts dran, dass sie dich verlassen hat und seitdem mit dir Schlitten fährt, dass es kracht. Ich mag sie, Mark, wirklich – aber alles was recht ist! Wenn du hingehst, dann geh wegen Brendan. Und nicht, weil Chloe plötzlich einen lichten Moment hat, verdammt!«
Mark merkte, wie er rot wurde. »Du hast sie nicht gehört. Das war die Chloe von früher.«
»Überleg doch. Chloe ist nun mal deine Achillesferse. Sie schickt dir einen Brief – zu dir nach Hause, wo Allie ihn sehen könnte, darüber müssen wir auch noch reden –, und schon rennst du los und triffst dich mit ihr? Du bist verlobt , Mann.«
»So hab ich das nicht gemeint«, sagte Mark. Sein Gesicht glühte. »Mir geht es um Brendan, wirklich.«
Lew starrte eine lange Zeit stumm in sein Bier. Etwas schien ihm zu schaffen zu machen. Das war nicht mehr der Lew, vor dem Mark neulich die Flucht ergriffen hatte.
»Darf ich dich was fragen?«, sagte Mark.
Lew nickte. Sein Blick war unstet.
»Als du deinen Geist gesehen hast – woher wusstest du, dass er echt war?«
Die Frage schien Lew zu überraschen. Als hätte er die Geschichte vergessen gehabt.
»Das ist schwer zu erklären«, sagte er schließlich. »Am Anfang habe ich es mir auszureden versucht, weißt du. Aber das ging nicht. Einmal, weil mein Cousin unseren Geist ja auch gesehen hatte. Wir haben unsere Beobachtungen verglichen, sie stimmten überein.« Nachdenklich sah er auf seine Flasche hinab. »Ich war noch ein Junge, sicher. Und bekifft. Ich war in einem Alter, wo man will , dass so etwas wahr ist. Und ich habe mir seitdem weiß Gott oft genug gesagt, dass es nicht wahr gewesen sein kann .« Er zuckte die Achseln. »Nur hat es nichts genützt. Der Geist war echt, und ich wusste es.«
»Aber woher?«
»Ich habe ihn nicht einfach nur gesehen«, sagte Lew. »Ich habe ihn gespürt. Ich habe ihn angeschaut und wusste, das hier ist etwas Außergewöhnliches.« Er trank einen Schluck. »Ich sah diesen Mann, diese Gestalt, die da über einem Feuer kauerte, und ich dachte nicht: Oh, ein Fremder! Ich habe gedacht – gespürt: Da drüben ist eine Seele ohne ihren Körper .«
Das alles hörte Mark zum ersten Mal. Wahrscheinlich weil er Lew erstmals ernst genug nahm, um zu fragen.
Lew sagte: »Das beschäftigt mich jetzt schon seit Wochen. Seit unsrem Gespräch damals – ich muss andauernd darüber nachdenken, was es zu bedeuten hätte – wenn . Und mir fällt nichts ein, was mir keine Scheißangst macht.«
Die wässrige Unruhe in Lews Augen gefiel Mark gar nicht.
»Trotzdem«, sagte Mark. »Sag’s mir.«
Lew stand auf und holte noch zwei Flaschen aus dem Kühlschrank. Er machte Mark seine auf und stellte sie vor ihn hin. »Ich bin baptistisch erzogen worden. Ich habe immer gelernt, dass man nach dem Tod in den Himmel kommt, dass die Seele dort ihren Frieden findet, verstehst du?« Er zog die Brauen hoch. »Ich meine, mit Jesus hab ich’s heute nicht mehr so, aber das mit dem Himmel vergisst man nicht so leicht. Selbst nach der Sache mit meinem Geist habe ich noch eine ganze Weile weiter daran geglaubt. Aber es passt einfach nicht zusammen. Dieser Typ, den ich gesehen habe, war nicht – ist nicht – im Himmel. Oder in der Hölle, oder wo man eben hinkommt. Und wenn ich davon ausgehe, dann – na ja, es lässt alle möglichen unguten Schlüsse zu, oder?«
In Marks Nacken kribbelte es. »Nämlich?«
Lews Stimme war sehr leise. Leise und unglücklich.
»Wenn Brendan noch im Haus ist«, sagte er, »muss es dann nicht einen Grund dafür geben? Und muss dieser Grund nicht zwangsläufig schlimm sein?«
Die Klingel erschreckte sie beide. Lew ging zur Tür und bezahlte den Boten, während Mark zu der gelblichen Zimmerdecke hochstarrte, auf den braunen Wasserfleck, der sich in dem Eck über Lews Spüle durch den Putz fraß.
Lew reichte Mark ein in Papier gewickeltes Sandwich. »Du solltest was essen.«
Mark war selten weniger nach Essen zumute gewesen, aber Lew zuliebe schlug er das Papier auseinander und zwang sich abzubeißen. Er schmeckte kaum etwas, aber sein Magen nahm die Bissen dankbar auf. Lew packte sein Sandwich aus, starrte es an und ließ es liegen. Er stand wieder auf und suchte nebenan auf seinem Schreibtisch herum.
Er kam mit einem Notizblock zurück. Oben auf das Blatt schrieb er Brendan . Dann kringelte er den Namen ein und schrieb daneben: Geist?
»Wenn er im Haus ist«, sagte er, »dann kann man das wahrscheinlich so oder
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