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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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mir, sonst …«
    »Sonst?«
    Lew richtete sich auf. »Sonst ruf ich deinen Vater an.«
    Mark war nach Lachen zumute, aber Lews Gesicht war grimmig.
    »Du denkst, ich mache Witze«, sagte er, und damit schlurfte er davon ins Schlafzimmer und drückte die Tür hinter sich zu.
    Als er annehmen konnte, dass Lewis schlief, zog Mark den Mantel an und ging nach draußen, um Allie anzurufen, solange noch eine Chance bestand, dass sie wach war.
    Während es bei ihr klingelte, beobachtete er eine alte Frau quer über den Hof, die an dem Eisengeländer lehnte und rauchte. Sie trug einen Bademantel und eine weiße Strickmütze und hielt ein Handy ans Ohr gedrückt. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, als bekäme sie einen langen, komplizierten Witz erzählt.
    Darlene meldete sich: »Allies Anschluss, hallo?«
    »Darly«, sagte er. »Hier spricht Mark.«
    »Allie ist im Bad«, sagte Darlene schroff.
    Mark wollte gar nicht wissen, was Allie in diesen letzten Stunden alles zu ihrer Schwester gesagt haben mochte. »Kann sie mich zurückrufen? Wenn sie kurz Zeit hat.«
    Die alte Frau gackerte quer über den Hof laut auf, sagte dann etwas in einer Sprache, die wie Russisch klang.
    »Ich weiß schon, dass mich das nichts angeht«, sagte Darlene. »Aber Allie ist nicht grade gut drauf im Moment.«
    »Ich weiß«, sagte er.
    »Ich kenn dich ja kaum«, fuhr Darlene fort. »Und wenn Allie sagt, du bist anders, dann muss ich ihr das erst mal glauben.«
    »Ich liebe deine Schwester«, sagte Mark. »Sehr. Deshalb rufe ich ja auch an. Um ihr das zu sagen.«
    Darlys Ton wurde noch frostiger: »Worte kosten nichts, Mark. Meine Schwester hat einiges hinter sich.«
    »Es ist nicht, wie du denkst.« Mark sagte es mit zusammengebissenen Zähnen. »Hör mal, ich … ich betrüge sie nicht, okay? Ich bin nicht Bill. Wir müssen einfach nur ein paar Dinge klären.«
    Darauf Darly, schneidend: »Lass dir nicht zu viel Zeit damit. Du hast ja keine Ahnung, wie …«
    Jetzt hörte Mark im Hintergrund Allie. Dann beide Schwestern, gedämpft, dann eine Stimme, schärfer und laut. »Hallo, entschuldige«, sagte Allie dann zu ihm.
    »Hallo«, sagte er. Die Kälte kroch ihm unter den Mantel, er zitterte.
    »Wo bist du?«, fragte sie.
    »Bei Lew«, sagte er. »Diesmal wirklich. Ich kann ihn dir geben, wenn du willst.«
    »Ich … Okay. Lieb, dass du anrufst.«
    »Tut mir leid, dass ich’s nicht früher geschafft habe. Lew und ich haben geredet.«
    »Ja?« Dann: »Über mich?«
    »Nur Gutes.« Er versuchte, ein Lächeln in seine Stimme zu legen.
    »Okay. Danke.«
    In seiner Kehle hatte sich ein Steinbrocken verkantet. Er konnte es ihr nicht sagen, noch nicht. Aber ihre Stimme war so klein, so verletzt. So viele Menschen auf dieser Welt schenkten ihm Liebe, die er nicht verdiente.
    »Du fehlst mir«, sagte Allie.
    Seine Augen brannten.
    »Ich biege das wieder hin«, versprach er ihr. Wie immer, wenn er gegen die Tränen kämpfte, klang er für sich selbst kindisch, unaufrichtig.
    »Okay«, sagte Allie – verhalten, als hätte sie eben eine Lüge gehört.
    Ich liebe dich , versicherten sie einander, ehe sie auflegten. Als Mark wieder über den Hof sah, war die Frau auf der anderen Seite verschwunden, als hätte sie nie existiert.
    Mark schaltete das Wohnzimmerlicht aus und lag still im Dunkeln. In seinem Kopf drehte sich alles. Schlaf war nicht drin, so viel stand fest. Er sehnte sich nach Allison. Dann wieder dachte er an das Gewächshaus und sehnte sich nach Chloe. Er wollte nicht an die Worte erinnert werden, die Lewis auf seinen Block geschrieben hatte. Unerledigte Aufgaben. Warnung .
    Selbstsüchtige Ziele.
    Aber wenn Chloe recht hatte, was für eine Wahl blieb ihm dann?
    Ich rufe deinen Vater an .
    Lew wusste genau, wie er ihm ein schlechtes Gewissen machen konnte. Sam ahnte nach wie vor nichts von Marks Problemen. Und wenn es nach Mark ging, würde er auch nie davon erfahren. Da, wo er jetzt hinsteuerte, konnte sein Vater ihm nicht helfen.
    Aber das war gelogen. Auf genau diesen Punkt war er schon einmal zugesteuert, und damals war kein anderer als Sam zu seiner Rettung geeilt.
    Und das eine Mal, dass in Mark solche Gedanken aufgekeimt waren, hatte er Rat bei seinem Vater gesucht.
    Nachdem Sam seinen Sohn allein und halbtot gefunden hatte, hatten sie eine Zeitlang zusammengewohnt. Sam hatte sich ein Semester lang freistellen lassen und war zu Mark in dessen kleine Wohnung in Columbus gezogen. Wochenlang hatte er sich um ihn gekümmert, über ihn

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