An einem Tag im Winter
Hände aus, fasziniert vom Spiel des Lichts. DrauÃen blickte eine mit Laub übersäte Holzterrasse zu einem Bach hinunter.
Während India Abigail fütterte, zog Mrs. Greenlaw einen kleinen Tisch heran und stellte ihr eine Tasse Kaffee hin. India fragte sie nach der Geschichte des Hauses. Es war zu Beginn der Zwanzigerjahre als Sommersitz eines Geschäftsmanns aus Boston gebaut worden, der hier in den Bergen gern zum Angeln und auf die Jagd ging. In den DreiÃigerjahren hatte es mehrmals den Besitzer gewechselt und dann mehrere Jahre leer gestanden. Ja, es liege sehr abgeschieden, bestätigte Mrs. Greenlaw. Sie war Malerin und hatte, wie sie erzählte, auf den ersten Blick gewusst, dass dieses Haus genau das war, was sie immer gesucht hatte, ein Haus, in dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Sie könne ewig aus diesem groÃen Fenster schauen und habe diesen Blick bestimmt schon hundertmal gemalt.
India erkundigte sich nach Rosanne Pharoah. Mrs. Greenlaw zog die Brauen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sie sollten es beim Pfarrer versuchen«, meinte sie. »Er ist schon lange hier. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen.«
Abends, in ihrem Bett in einem Gasthaus in Bourchier, dachte India über dieses Haus nach. Sie versuchte, sich Marcus vorzustellen, wie er dort gelebt, am Fenster gesessen und ein Buch gelesen hatte. An schönen Sommertagen hatten er und Rosanne vielleicht einen Tisch auf die Terrasse gestellt und dort gefrühstückt. Oder Rosanne war in dem kleinen Bach gepaddelt, und Marcus hatte ihr von den Felsen oben zugesehen. Hier mochten sie ihre gemeinsame Zukunft geplant haben, ein Leben in diesem Haus mit dem schimmernden Licht und dem zitternden Laub. Und vielleicht war Marcus, nachdem diese Zukunft zerstört worden war, in eine Richtung geflohen, die mit seinen ursprünglichen Plänen nichts mehr zu tun gehabt hatte.
Am nächsten Morgen fuhr sie zu der weiÃen kongregationalistischen Kirche zurück, die sie am Vortag bemerkt hatte. Das Pfarrhaus war gleich nebenan.
Als sie eine halbe Stunde später wieder aufbrach, hatte sie einiges erfahren. Rosanne Pharoah lag auf dem Friedhof in diesem stillen Dorf begraben. Sie war zwanzig Jahre alt gewesen, als sie starb, ein Jahr bevor der Pfarrer die Gemeinde übernommen hatte. Er hatte India etwas Interessantes erzählen können: dass die Hebamme, die Marcusâ Frau während der Schwangerschaft und der Entbindung betreut hatte, kurz nach Rosannes Tod weggezogen war, um in ihr Heimatdorf Medway in Nord-Maine zurückzukehren.
Die Hebamme hieà Kitty Michaud. Man frage sich, sagte der Pfarrer, während er sich nachdenklich den Bart strich, ob sie sich verantwortlich gefühlt hatte â ob ihr womöglich sogar Fahrlässigkeit vorgeworfen worden war. Was für ein schreckliches Unglück für einen Mann, seine Frau und sein Kind zu verlieren.
Es war ein Samstag. Ellen und Annie waren am Vormittag ins naturgeschichtliche Museum gegangen, wo sie staunend die Dinosaurier bewunderten und Ellen versuchte, Annie die Evolution zu erklären. Später hatten sie in einem Restaurant in der Brompton Road gegessen und auf dem Heimweg einen Abstecher in einen Park gemacht, damit Annie sich ein wenig austoben konnte.
Zu Hause hatte Riley Teewasser aufgesetzt und Ellen mit den Samstagszeitungen ins Wohnzimmer verbannt. Er fand, sie arbeite zu viel. Annie spielte oben mit ihrem Puppenhaus. Als der Tee fertig war, trug Riley das Tablett ins Wohnzimmer und setzte sich zu Ellen.
Sie las ihm gerade einen Kommentar Harold Macmillans zu den Atomwaffentests vor, als es drauÃen läutete. Auf dem Weg zur Tür sagte Riley: »Unsere Leute beobachten bestimmt mit Argusaugen, was die Russen treiben.« Dann machte er auf.
Im ersten Moment war er sprachlos.
»Hallo, John«, sagte Pearl.
Riley machte noch einmal Tee, nicht weil irgendjemand welchen wollte, sondern weil ihm das ein paar Minuten allein verschaffte, in denen er seinen Schock und seinen Zorn in den Griff bekommen konnte. Um knapp fünf Uhr nachmittags war es noch zu früh für einen Drink.
Ich möchte mit dir reden, John , hatte sie gesagt. Und ich möchte Annie sehen. Darf ich reinkommen ?
Er hatte sie eingelassen. SchlieÃlich war es auch ihr Haus. Inzwischen war Ellen aus dem Wohnzimmer in den Flur gekommen. Nie würde er ihren Gesichtsausdruck vergessen.
Er hatte die zwei Frauen
Weitere Kostenlose Bücher