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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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den Tank des Wagens auf und wischte mit einem Tuch über die Windschutzscheibe. An der Straßenecke hielt ein Bus; ein paar Leute stiegen aus, die Frauen mit Einkaufstaschen beladen, die Männer mit Aktenmappen oder einer Zeitung unter dem Arm. Die Schlange der Wartenden rückte nach, als vorn die ersten in den vollen Bus drängten.
    Jeder der Gärten, die vom Fenster aus sichtbar waren, besaß seinen eigenen Charakter. Da war der vernachlässigte, mit einem rostigen Kinderwagen und schmutzig braunen Gartensesseln mit löchrigen Sitzen, und dort der gepflegte, der größtenteils aus Rasen bestand, mit Narzissenbeeten an den Rändern. In Indias Lieblingsgarten bedeckte eine Glyzinie die ganze hintere Mauer; bald, in einem Monat ungefähr, würden ihre Blütendolden wie blasslila Trauben herabhängen. Der Garten hinter ihrem Haus gehörte den Leuten, die im Erdgeschoss wohnten. Sie hatten zwei Kinder, ihre Spielsachen – ein Dreirad, Gummibälle und Puppen – lagen im Gras herum. Die Wäscheleine hing voll, und India starrte geistesabwesend auf die Strümpfe, Büstenhalter, Unterhemden, Höschen und Hüfthalter, die leise im Wind schwangen.
    Als sie die Zigarette fertig geraucht hatte, kramte sie in dem Chaos unten im Schrank, bis sie einen blassblauen Chiffonschal fand, den sie sich um die Haare band. Dann nahm sie Mantel und Handtasche und ging.
    Acht Stunden später lag das weiße Satinkleid in Garretts Zimmer auf dem Boden, India selbst auf Garretts Ausziehcouch. Man lag darauf entweder auf der flachen Seite, die mit ihren den Rücken malträtierenden Sprungfedern die Sitzfläche bildete, wenn das Sofa nicht ausgezogen war, oder man hielt sich mühsam auf dem abgerundeten Teil, der sonst als Rückenlehne diente. India hatte sich für die Sprungfedern entschieden. Sie war nackt, und ihr war kalt – in Garretts Zimmer (»meine Wohnung«) war es immer kalt –, aber sie fand, im Licht der Lampe sähe sie aus wie eine Marmorfigur, und das gefiel ihr.
    Garretts Wohnung war lang und schmal, die Hälfte eines großen Raums, den man mittels einer Sperrholzwand zweigeteilt hatte. Durch die dünne Wand war fast alles zu hören, deshalb schliefen Garrett und India nur miteinander, wenn Ronnie aus war. India hatte darauf bestanden; Garrett, der nichts davon hielt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, war es völlig schnuppe, was Ronnie hörte. Neben dem Ausziehsofa gab es einen Tisch und zwei Stühle, einen Gaskocher, ein kleines Regal mit Kaffee und Essensvorräten, ein Radio mit Plattenspieler und einen Wäscheständer, an dem Garrett seine Hemden und Hosen aufhängte. Seine Lederjacke hing von einem Haken an der Tür.
    Garrett spazierte nackt im Zimmer herum, während er darauf wartete, dass das Kaffeewasser kochte. Er war noch eitler als India. Aber er hatte auch wirklich einen tollen Körper; bei ihrer ersten Begegnung im Laden hatte sie sich Hals über Kopf in seine breiten Schultern und die muskulösen Unterarme mit den feinen schwarzen Härchen verliebt.
    Â»Ich muss am Sonntag einen Wagen nach Plymouth bringen«, sagte er, während er Kaffeepulver in eine Tasse löffelte. »Kommst du mit?«
    Â»Ich kann nicht.«
    Â»Komm schon, Indy. Das wird bestimmt lustig. Wir könnten an den Strand gehen.«
    Â»Am Sonntag hat Sebastian Geburtstag. Er wird achtzehn.«
    India wälzte sich auf die Seite.
    Â»Ich muss ihm noch ein Geschenk kaufen.«
    Â»Ich hab da neulich ein nettes Bildchen gefunden.« Garrett holte ein kleines gerahmtes Gemälde, das an der Wand lehnte, und zeigte es ihr. »Sieht bestimmt gut aus, wenn’s ein bisschen aufpoliert ist.«
    India bezweifelte das. Es war kaum zu erkennen, was das Bild darstellen sollte, so dunkel waren die Ölfarben: das Innere einer Höhle vielleicht oder den Meeresgrund. »Ich glaube, Sebastian hat für so was keinen Sinn«, sagte sie taktvoll. »Ich wollte ihm ein paar Bücher besorgen.«
    Â»Gute Idee.«
    Â»Aber ich habe kein Geld.«
    Garrett stellte den Kaffee auf den Tisch und setzte sich neben India auf die Bettkante. Sie ließ sich wieder auf den Rücken fallen, und er strich ihr mit der Hand, die noch warm war von der Kaffeetasse, über den Bauch. »Ich leider auch nicht, Süße. Oliver hat mir einen Anteil von den Einnahmen heute Abend versprochen, aber den krieg ich

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