An einem Tag im Winter
beobachtete, und tat so, als bemerkte sie ihn gar nicht, als sie langsam an seinem Tisch vorbei zur Bar ging. Während sie in ihrer Handtasche kramte, wartete sie gespannt, ob er anbeiÃen würde.
»Zufälle sind doch etwas Schönes«, sagte er, und India hob den Kopf.
»Finden Sie, Dr. Pharoah?«
»Ja, besonders Zufälle wie dieser. Guten Abend, Miss Mayhew, wie geht es Ihnen?«
»Gut, danke. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie für Nachtklubs viel übrighaben.«
»Ich bin überglücklich, dass Sie überhaupt an mich gedacht haben. Ich hätte auch nicht geglaubt, dass ich einer Frau wie Ihnen in einem Hörsaal begegnen würde.«
»Einer Frau wie mir?«
»Einer so bezaubernden Frau wie Ihnen. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«
India bat um einen Martini. Sie amüsierte sich. Sie würde ihm gründlich den Kopf verdrehen, beschloss sie, nur so zum SpaÃ, und stieà mit ihm an.
»Ich nehme an, Sie sind nicht wissenschaftlich tätig«, sagte er.
»Ich arbeite in einem Laden für Künstlerbedarf.« Sie zuckte mit den Schultern. »Mehr zum Zeitvertreib. Eigentlich habe ich es nicht nötig.«
»Zum Zeitvertreib, bis was geschieht?«
»Bis ich heirate wahrscheinlich«, sagte sie leichthin.
»Sie haben vor, zu heiraten?«
Sie sah ihn mit einem leicht spöttischen Lächeln an. »Ich habe mich noch nicht entschieden. Vielleicht lasse ich es auch lieber bleiben. Sind Sie mit Ihrer Frau hier, Dr. Pharoah?«
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Marcus, nennen Sie mich Marcus. Nein, ich bin mit Freunden unterwegs. Meine Frau ist zu Hause.«
»Geht sie nicht gern aus?«
»Nicht besonders, nein.«
»Aber Sie schon.«
»Ja, ich mag dieses Gefühl, dass jeden Moment etwas Aufregendes passieren kann. Und gerade an Orten wie diesem ist das tatsächlich manchmal der Fall.«
»Und was sollte Ihrer Meinung nach passieren?«
»Etwas Unerwartetes. Etwas, das einen aus dem Alltag herausreiÃt.« In seinen Augen blitzte ein Lächeln. »Ein Abenteuer.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie Abenteuer brauchen, Marcus. Sie führen als berühmter Mann doch sicher ein spannendes Leben.«
»Berühmt würde ich nicht sagen«, entgegnete er bescheiden. »Nur wenige Wissenschaftler sind wirklich berühmt geworden. Einstein, Oppenheimer, heute vielleicht James Watson â nur sehr wenige.«
India spieÃte die Olive auf dem Grund ihres Martiniglases auf. »Woher kennen Sie Ellen?«
»Miss Kingsley?« Wieder zeigte er keine Reaktion. »Sie hat einmal für mich gearbeitet.«
»Warum mag sie Sie nicht?«
Diesmal runzelte er leicht die Stirn. »Ich weià nicht, ob das â¦Â«
»Ich habe es doch gemerkt, bei dem Vortrag.«
»Vor ein paar Jahren ist ein Kollege von mir gestorben, Dr. Redmond. Es war eine sehr traurige Geschichte, ein groÃer Verlust für die wissenschaftliche Gemeinde und für mich persönlich â er war ein Freund von mir. Miss Kingsley arbeitete zu der Zeit bei uns. Da Dr. Redmond ganz plötzlich starb, wurde die Polizei hinzugezogen. Miss Kingsley hat damals erzählt, sie habe kurz vor Dr. Redmonds Tod einen Streit zwischen ihm und mir mitangehört.« Marcus Pharoah schwenkte das Getränk in seinem Glas, trank aus und winkte dem Barkeeper, um neu zu bestellen. »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich leicht in Zorn gerate. Ich bin nicht stolz darauf. Ich war ärgerlich auf Miss Kingsley, weil ich fand, Sie hätte mehr Loyalität zeigen sollen â ich fand, sie hätte mir gegenüber mehr Loyalität zeigen sollen. Deshalb habe ich sie entlassen.«
»Ellen ist ein sehr aufrichtiger Mensch.«
»Sicher, solche Menschen sind bewundernswert, trotzdem scheinen sie den Schaden, den sie mit ihrer Aufrichtigkeit anrichten, kaum wahrzunehmen. Es muss angenehm sein, sich den Luxus solcher Freimütigkeit leisten zu können. Ich musste Gildersleve Hall schützen. SchlieÃlich habe ich verdammt hart dafür gearbeitet.«
Sein Blick flog durch den Saal.
»Und woher kennen Sie Miss Kingsley, Miss Mayhew?«
»Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ellen ist meine beste Freundin. Meine älteste Freundin.«
»Frauen verstehen es so viel besser als wir Männer, Freundschaften zu erhalten.«
»Vielleicht weil wir
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