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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Freundin abgesetzt, ihren Koffer gepackt und ist gegangen. Ich habe keine Ahnung, wo sie ist und ob sie vorhat, jemals zurückzukommen.«
    Â»Aber das ist doch schrecklich, Riley.«
    Â»Ja, sicher.«
    Â»Sie fehlt Ihnen bestimmt entsetzlich.«
    Â»Nein.« Seine Stimme blieb ruhig. »Nein, ich fühle mich befreit. Sie fehlt mir überhaupt nicht. Ich habe sie nie geliebt. Das darf ich anderen nicht sagen – vor allem Annie oder Pearls Eltern nicht –, aber Sie möchte ich nicht belügen.« Er senkte die Lider, doch zu spät, um die Bitterkeit in seinem Blick zu verbergen. »Sind Sie jetzt schockiert, Ellen?«
    Â»Ja«, antwortete sie aufrichtig. »Ich dachte – ich hatte angenommen ….«
    Er stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. »Jetzt überlegen Sie, ob Sie mich mehr fragen dürfen oder ob Sie lieber taktvoll das Thema wechseln sollen.«
    Â»Ich möchte nicht zudringlich sein. Aber ich möchte auch nicht, dass Sie glauben, dass es mir zu viel ist.«
    Flüchtig legte er ihr die Hand auf die Schulter. »Ich weiß. Verzeihen Sie. Ich habe Sie weiß Gott nicht zu mir eingeladen, um Sie in eine peinliche Situation zu bringen.«
    Sie betrachtete ihn. Ehemaliger Fallschirmjäger, Polizist: Er war ein paar forschenden Fragen wahrscheinlich durchaus gewachsen. »Sie müssen Pearl aber doch geliebt haben, als Sie sie geheiratet haben«, sagte sie sehr direkt.
    Â»Nein.« Er schüttelte den Kopf.
    Â»Na ja, auf mich wirken Sie nicht wie ein Mann, der aus einer Laune heraus heiratet.« Sie suchte in seinem Gesicht nach Zeichen von Ärger oder Gekränktheit. Als sie nichts davon entdeckte, kam ihr ein anderer Gedanke, und sie sagte: »Oh.«
    Â»Wieder falsch.« Riley schenkte den Kaffee ein. »Annie kam anderthalb Jahre nach unserer Hochzeit zur Welt, falls Sie in dieser Richtung denken sollten. Sie täuschen sich in zweierlei Hinsicht. Ich hätte vielleicht nicht aus einer Laune heraus geheiratet , aber ich habe Pearl drei Wochen nach unserer ersten Begegnung einen Antrag gemacht.«
    Â»War das im Krieg?«, fragte sie, und er lächelte trübe. »Ja.«
    Â»Mein Vater ist der Auffassung, es sei ein evolutionärer Imperativ, dass Männer sich Hals über Kopf eine Frau suchen, bevor sie in den Krieg ziehen.«
    Â»Da hat er vielleicht recht.«
    Â»Ich habe das Foto gesehen. Sie ist eine sehr schöne Frau.«
    Â»Ich habe das Bild Annies wegen stehen gelassen.« Er reichte ihr eine Tasse Kaffee. »Schönheit reicht nicht, Leidenschaft reicht nicht. Das habe ich sehr schnell erfahren. Ich war zweieinhalb Jahre weg, und als ich nach Hause kam, war alles, was ich einmal für sie empfunden hatte, wie weggeblasen.«
    Â»Trotzdem haben Sie sie geheiratet.«
    Â»Ich hatte es versprochen. Sie hatte keine Zweifel.«
    Â»Das war sehr ehrenhaft von Ihnen.«
    Â»Finden Sie?« Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich bin mir da jetzt nicht mehr so sicher. Vielleicht habe ich Pearl und mich betrogen.« Er schwieg einen Moment, und sie unterbrach die Stille nicht. Sie merkte, dass er nach den richtigen Worten suchte.
    Â»Ich konnte sie niemals glücklich machen«, sagte er schließlich. »Jedenfalls nicht für länger. Sie war nie zufrieden und ausgeglichen. Und wenn sie unglücklich war, nahm sie jede Kleinigkeit zum Anlass, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Mal war es mein Ton, mal mein Gesichtsausdruck, mal ein Versäumnis, mal eine Angewohnheit von mir. Anfangs versucht man, sich zu ändern. Oder man wehrt sich. Mein Gott, was hatten wir oft Krach. Manchmal hat das die Atmosphäre gereinigt, manchmal haben wir uns gegenseitig so tief verletzt, dass wir tagelang nicht darüber hinwegkamen. Dann wurde Annie geboren, und von da an habe ich nur noch Beschwichtigungspolitik betrieben. Es war der Weg des geringsten Widerstands und nicht so zerstörerisch. Ich war verständnisvoll, ich habe mich bemüht, auf Pearl einzugehen, Anteilnahme zu zeigen, weil das das Leben leichter und ruhiger machte. Wenn es möglich war, habe ich auch versucht, vernünftig mit ihr zu reden. Aber nach einiger Zeit fängt man an, sich selbst zu verachten. Man weiß, dass man lügt, sich selbst und dem anderen etwas vormacht. Und ich habe genau gemerkt, dass sie mich auch verachtete. Da bin ich ausgestiegen. Ich habe mich innerlich abgeschottet.

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