An einem Tag im Winter

den Bürgersteig hinuntergingen, stieg ein Pärchen aus einem Taxi und rannte zu einer Haustür. Ein Botenjunge schleuderte sein Fahrrad krachend an ein Eisengeländer und lief in großen Sätzen eine Souterraintreppe hinunter. Ellen warf einen Blick zurück und sah Alec Hunter hinter ihnen herkommen. Sie konnte sein dunkles Haar erkennen, als er sich durch das Gedränge auf der Straße schlängelte, und war verärgert. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie hatten die nötigen Höflichkeiten ausgetauscht und ein paar mehr oder weniger spitze Bemerkungen dazu. Konnte es damit nicht genug sein?
    Als Ellen sich von ihrer Bekannten verabschiedete, die zum Bus wollte, holte Alec sie ein.
    Â»Ich habe den Eindruck, Sie haben etwas gegen mich«, sagte er. »Ich würde gern wissen, was los ist.«
    Das regennasse Haar klebte ihm am Kopf, und ihr fiel wieder ein, wie er in Gildersleve ständig Mütze und Handschuhe vergessen hatte, als achtete er gar nicht auf das Wetter. Auch das war eine Art Hochmut, dachte sie, die Arroganz eines gut aussehenden Mannes, der sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst war.
    Sie sah nicht ein, warum sie mit ihrer Meinung hätte hinter dem Berg halten sollen. Sie konnte ihm ruhig ins Gesicht sagen, was sie so lange mit sich herumgetragen hatte. Vielleicht würde das seine hohe Meinung von sich selbst ein wenig erschüttern, obwohl sie das bezweifelte.
    Â»Wissen Sie eigentlich, wie unglücklich Sie Andrée gemacht haben? Haben Sie auch nur eine Ahnung, wie schlecht es ihr damals ging, als ich noch in Gildersleve war?«
    Â»Natürlich wusste ich –«
    Â»Wie konnten Sie sich dann so verhalten? Das war grausam, Alec.«
    Â»Ach, so ist das. Sie glauben, ich hätte Andrée unglücklich gemacht.« Er lachte kurz.
    Sein Lachen machte sie noch wütender. »Wie wär’s, wenn Sie mal ein bisschen Verantwortung übernähmen? Monatelang hat sie Ihnen nachgetrauert, nachdem Sie das erste Mal mit ihr Schluss gemacht hatten – und dann fangen Sie das Ganze von vorne an und lassen sie wieder fallen. Kein Wunder, dass sie nach Paris zurückgekehrt ist.«
    Sie eilte mit schnellen Schritten den Bürgersteig hinunter, drängte sich zwischen den jungen Frauen in Trenchcoats durch, die lachend Arm in Arm durch den Regen liefen. Alec blieb an ihrer Seite. Sie wartete, müde und enttäuscht, auf die unvermeidlichen Rechtfertigungen.
    Aber er sagte nur: »Sie täuschen sich, Ellen.«
    Â»Als ich in Gildersleve war, dachte ich, Sie wären ein Mann mit Herz. Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie einer von dieser Sorte sind.«
    Er hielt sie an der Hand fest. » Von welcher Sorte ?«
    Â»Einer von den Männern, denen es nur darum geht, eine Frau zu erobern, um sie fallen zu lassen, sobald sie es geschafft haben.«
    Seine Hand sank herab. Sie standen im Schutz einer Markise vor einem Laden. Schwere Regentropfen glitten von dem gestreiften Öltuch, das schwarze Schatten auf seine Züge warf.
    Â»Nein«, widersprach er langsam. »Wie ich Ihnen schon gesagt habe: Sie irren sich. Sie glaubten zu wissen, was in Gildersleve vorging, aber Sie hatten keine Ahnung.«
    Â»Dann klären Sie mich auf, Alec.«
    Â»Nicht hier.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich muss zurück ins Labor, muss heute Abend noch etwas fertig machen. Begleiten Sie mich?«
    Sie verspürte nichts als Widerstreben. »Ich glaube, das möchte ich nicht.« Etwas in seinem Gesichtsausdruck, eine unerwartete Verletzlichkeit, veranlasste sie, hinzuzufügen: »Es war sehr schwer für mich, aus Gildersleve wegzugehen. Ich habe lange gebraucht, um über alles, was dort passiert ist, hinwegzukommen, und ich habe keine Lust, es von Neuem aufzurühren.«
    Â»Vorhin bei der Diskussion sagten Sie, man könne nicht urteilen, ohne das ganze Bild zu kennen. Ich glaube, Sie schulden mir eine Gelegenheit, Ihnen einiges zu erklären.«
    Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ich schulde Ihnen nichts, Alec.«
    Â»Ellen, bitte.«
    Beinahe gegen ihren Willen ging sie mit ihm weiter. Beide schwiegen, ablehnend, peinlich darauf bedacht, einander nicht zu berühren.
    Dann erklärte er unvermittelt: »Pharoah und Andrée hatten eine Affäre.«
    Ellen blieb stehen. Eine Gruppe Soldaten in Khaki drängte sich zwischen ihnen durch. Als sie weg waren, sagte sie: »Das glaube ich