An hoechster Stelle
wirklich die reine Pest.«
»Das hat die Armee zwanzig Jahre lang gesagt, und die IRA wiederholt es seitdem ständig. Was ist jetzt mit Cohan?«
»Lassen wir ihn erst mal in Ruhe. Mir fällt schon etwas ein, wenn er wieder in den Staaten ist. Wir bleiben in Verbindung.«
In ihrem Haus in der South Audley Street ging Lady Helen Lang ihre Garderobe durch und entschied sich schließlich für ein schlichtes Abendkleid aus schwarzem Crêpe. Es klopfte an der Tür, und Hedley brachte ihr eine Tasse Tee.
»Was meinen Sie dazu?«
»Sieht gut aus«, nickte er.
Lady Helen hängte das Kleid wieder in den Schrank. »Schön. Ich habe in fünfundvierzig Minuten einen Frisörtermin bei Daniel Galvin.«
»Sie sehen doch ganz okay aus.«
»Ach, Hedley. Die Veranstaltung heute Abend im Dorchester ist ein gesellschaftliches Ereignis.«
»Und was ist mit Cohan?«
Sie lächelte nur. »Ich muss jedenfalls so gut wie möglich aussehen. Jetzt lassen Sie mich allein. Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«
Im Ballsaal des Dorchester hatte sich alles, was Rang und Namen besaß, versammelt. Der Premierminister war zwar noch nicht eingetroffen, aber mehrere Kabinettsmitglieder waren bereits anwesend, und Dillon, der einen Abendanzug mit Revers aus Rohseide trug, schüttelte nur den Kopf darüber, dass jemand an solch einer Veranstaltung Vergnügen finden konnte. Seufzend nahm er sich vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners ein Glas Champagner.
»Entspannen Sie sich, Dillon«, lächelte Hannah. »Vor uns liegt eine lange Nacht.«
»Sie sehen toll aus, Mädchen, in diesem dunkelroten Seidenanzug. Von Versace, stimmt’s? Man hält Sie bestimmt für ein Fotomodell.«
»Mit solchen Schmeicheleien erreichen Sie gar nichts.«
»Ich weiß, und das ist wirklich ein Jammer.«
Ferguson kam zu ihnen. »Alles in Ordnung?«
»Liebe Güte, Brigadier«, grinste Dillon. »Als ich ein kleiner Junge in Belfast war, hat mich meine Großmutter manchmal nachmittags in das alte Grand Central zum Tee mitgenommen. Sie liebte den Glanz und diese Pracht dort. Der Oberkellner trug genauso einen Frack wie Sie.«
»Vorsicht, Dillon, auch meine Geduld hat Grenzen.« Er schaute sich um. »Guter Gott, da ist ja Lady Helen Lang.«
Helen kam auf ihn zu, und sie umarmten sich. »Wie nett, Sie zu sehen, Charles. Und das ist doch Mr. Dillon, nicht wahr?«
Dillon nahm ihre Hand. »Es ist mir ein großes Vergnügen, Lady Helen.«
»Ich konnte nicht widerstehen, zu kommen. Ich wohne in der South Audley Street, gleich um die Ecke. Das ist recht bequem. Jedes Mal, wenn mir nach einem Cocktail ist, mache ich einen kurzen Besuch in der Piano Bar.«
Am Eingang gab es Gedränge und Stimmengewirr. »Der Premierminister, Brigadier«, meldete Hannah.
»Tut mir wirklich Leid, Helen«, sagte Ferguson. »Dillon, besorgen Sie Lady Helen noch ein Glas Champagner, seien Sie so gut. Kommen Sie mit, Chief Inspector.«
Dillon nahm zwei Gläser vom Tablett eines Kellners und reichte eines Lady Helen. »Bitte sehr. Ziemlich beeindruckende Gesellschaft hier«, meinte er.
»Die Sie gründlich verachten.«
Er hob sein Glas. »Auf Sie, Lady Helen, und auf mich – die beiden einzigen normalen Menschen in einer Welt, die verrückt geworden ist.«
Lächelnd trank sie ihm zu, und aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht begriff, überlief ihn plötzlich ein unbehagliches Frösteln.
»Forum für den Frieden in Irland – nach siebenhundert Jahren. Kommt für viele um etliches zu spät.« Erschrocken biss er sich auf die Lippen. »Ach Gott, verzeihen Sie.«
»Sie denken an meinen Sohn«, erwiderte sie ruhig. »Wenn Sie für Charles arbeiten, dann wissen Sie Bescheid, aber ein großer Schriftsteller hat einmal gesagt, die Vergangenheit ist ein fremdes Land, Mr. Dillon. Wir sollten niemals nur in der Vergangenheit leben, sondern besser mutig die Gegenwart in
Angriff nehmen.«
»Ein schöner Gedanke«, nickte Dillon. »Doch kein großer Trost.«
Eine ältere Dame kam auf sie zu. »Meine liebe Helen, wie nett, Sie zu sehen.«
Sie begrüßten sich mit flüchtig gehauchten Wangenküssen. »Darf ich bekannt machen?«, sagte Lady Helen. »Die Herzogin von Stevely – Sean Dillon.«
»Ist mir eine Ehre.« Dillon küsste ihr die Hand.
»Oh, ich liebe die Iren«, seufzte die Herzogin. »Das sind solche Spitzbuben. Sind Sie auch einer, Mr.
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