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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Text auf beiliegende Anlagen hinweisen. Sie ließ den Stift sinken, strich mit dem Daumen die leeren Zeilen entlang. Referenzen: keine. Ausbildung: keine. Berufliche Entwicklung: keine. Anlagen: keine.
    Es ist sinnlos, ich mache mich total lächerlich, dachte sie und dass es vernünftiger sei, wieder zu gehen.
    Dann sah sie eine von Sophias Reisetaschen vor sich. »I love Paris« hatte unter dem Bild des Eifelturms gestanden, das an eine längst vergangene Klassenfahrt erinnerte. Sie sah die Hand ihrer Tochter nach den Griffen der Tasche fassen, den schmalen Rücken aus der Tür gehen, hörte sich selbst am Telefon sagen: »Du hast recht, aber ich kann nicht. Er würde mich finden.«
    Sophia hat sie nie wieder darauf angesprochen. Greta dachte an Katharina, die zum ersten Mal verliebt war und Richard ohne mit der Wimper zu zucken vorgelogen hatte, es führen ausschließlich Mädchen mit ins Trainingslager. Das Hotel in Bouaké fiel ihr ein, in dem ihr erster Versuch, ihn zu verlassen, gescheitert war. Die Nacht nach ihrer Hochzeit, Richards aufgequollenes Gesicht, das Geräusch von unter ihren Sohlen knirschendem Glas, Tabletten, die in ausreichender Stückzahl im Futter ihrer Handtasche versteckt waren, der Schlüssel in der Kellertür.
    Greta ging nicht.
    Sie schrieb: »Ich habe drei Kinder geboren, sechs Jahre im Ausland verbracht, spreche englisch und französisch. Ansonsten kann ich nichts vorweisen als ein vor fünfundzwanzig Jahren
nach dem zweiten Semester abgebrochenes Studium der Architektur.
    Aber: ich bin flexibel, äußerst lernfähig, bringe mich voll ein und nehme jede Art von Arbeit an, was auch immer es sei.«
    Die Sekretärin hob die Augenbrauen, als Greta erneut das Zimmer betrat. »Sie wieder? Sind Sie etwa schon mit dem Ausfüllen fertig?«
    »Ich brauche diese Arbeitsstelle«, sagte Greta und legte der Frau den Bogen auf die polierte Schreibtischplatte. Die Sekretärin las, schaute zu Greta auf, die ihr unverwandt in die Augen sah, rieb sich das Kinn, las erneut, seufzte.
    »Warten Sie einen Moment.«
    Sie erhob sich, ging aus dem Zimmer. Nach wenigen Minuten war sie wieder da und bat Greta, mit ihr zu kommen.
    »Unser Personalchef ist im Haus. Sie können sich vorstellen.«
    Greta wundert sich heute noch darüber, dass sie mit einem Mal so ruhig war. Sie folgte einfach der Frau den Flur entlang und konzentrierte sich auf deren hellbeiges Kostüm, das beim Laufen in den Kniekehlen Falten warf. Schließlich fand sie sich in einem Raum wieder, der von einem riesigen Schreibtisch beherrscht wurde, dahinter ein Mann im Nadelstreifenanzug.
    Der Personalchef betrachtete sie eingehend, und Greta dachte, dass sie es wenigstens probiert hatte. Auch wenn keine Chance da war, diese Stelle zu bekommen, hatte sie versucht, sich wider alle Ängste und Unsicherheiten durchzusetzen, hatte die Lähmung nicht von sich Besitz ergreifen lassen. Richard war nicht allmächtig. Er war weit weg. Sie konnte jetzt aufbrechen und wusste, dass sie es diesmal schaffen würde. Irgendwie. Es gab keinen Weg zurück.
    Das war am ersten Juli 1990.

    Nichts hatte sie qualifiziert als allein die Tatsache, dass sie ohne jegliche Referenz in der Lage gewesen war, den Leiter der Personalabteilung von sich zu überzeugen. Sie hatte den Job bekommen.
    Auf dem Rückweg besorgte sie sich drei Zeitungen, entnahm jeweils den Immobilienteil, warf den Rest weg und versuchte von einer Telefonzelle aus Sophia zu erreichen, bevor sie die Wohnungsanzeigen durchging. Alles schien plötzlich leicht zu sein, nichts war unmöglich.
    Ich habe das gemacht, denkt sie heute noch manchmal, ich habe das durchgezogen.

    Richard versuchte in der Nacht zum Dienstag noch einmal in den Keller zu gelangen.
    »Du wirst schon wieder hervorgekrochen kommen aus deinem Loch«, schrie er, während seine Fäuste an die Tür hämmerten, »ich grabe dir das Wasser ab, du mieses Stück Scheiße! Von mir kriegst du keine Mark, verlass dich drauf. Du kannst im Keller verrotten! Sau, elende! Flehen wirst du, dass ich dich wieder aufnehme, betteln um Wohnung und Brot!«
    Sein Gebrüll hallte durch Haus und Keller, Greta hielt sich die Ohren zu. Irgendwann nahm sie ihre Hände herunter, richtete sich auf und schrie, dass sie aus dem Fenster nach der Polizei rufen werde, wenn er sie nicht sofort in Ruhe ließe. Da zog er ab.
    Als das Lärmen und Poltern über ihr nach einem dumpfen Knall in Stille überging, packte sie ihre Reisetasche und den Koffer zusammen, schlich sich

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