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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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für keine ihrer Töchter das, was sie sich wünschten. Für Katharina war sie zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, für Sophia war sie jemand, den man eher aus Pflichtbewusstsein liebte, und für Marta war sie so etwas wie das schwarze Loch, um das man den größtmöglichen Bogen machte, die wünschte sich nicht einmal mehr etwas von ihr.

    Sie könnte Katharina mehr Aufmerksamkeit schenken, mit Sophia wieder intensiver das Gespräch suchen und sehen, was dabei herauskommt. Was aber könnte sie im Hinblick auf Marta tun? Zunächst einmal nicht zulassen, dass die Ratlosigkeit sie völlig in Beschlag nimmt und handlungsunfähig macht. Damit ist niemandem geholfen.

    Kurz entschlossen biegt Greta auf dem Weg zum Ausgang doch noch einmal ab, um vorab bei Calva-Women vorbeizuschauen. Oft waren überraschende Auftritte effektiver als die angekündigten Visiten.
    Im Shop sitzt eine der Mitarbeiterinnen auf dem Hocker hinter der Kasse.
    »Vanessa?«
    Die junge Frau springt eilig hinter dem Tresen hervor, fährt sich durchs dichte blonde Haar und begrüßt ihre Vorgesetzte mit dem Lächeln eines ertappten Schulkindes. »Sie sind heute aber früh dran, Frau Wördehoff.«
    »Und deswegen sitzen Sie untätig hinter der Kasse?«
    »Nein, entschuldigen Sie, es war gerade nichts zu tun.«
    »In unseren Geschäften haben die Mitarbeiter immer zu tun. Und wenn nicht, dann geben sie sich den Anschein, als hätten sie. Was soll eine Kundin denken, die hier hereinkommt? Dass Ihre einzige Aufgabe darin besteht, zu warten, bis sie Ihnen die Kreditkarte reicht?«
    »Ich habe nur gedacht … Sie haben natürlich recht. Es kommt nicht wieder vor.«
    »Ihre Umsatzzahlen sind rückläufig, und ich möchte das nicht auf Nachlässigkeiten dieser Art zurückführen müssen.«
    Vanessa seufzt. »Nein, das ist nur ein vorübergehendes Zwischentief, sozusagen, wir holen das im nächsten Monat wieder
auf. Ganz sicher! Das ganze Team wird sich stärker einbringen, wir sind alle sehr motiviert!«
    »Gut, dann zeigen Sie mir das. Wo ist eigentlich die Kollegin Schwarzbach?«
    »Hat sich heute Morgen krankgemeldet.«
    Greta schnaubt ärgerlich, stellt den Rollkoffer im Büro ab und beginnt ihren Rundgang durch den Verkaufsraum. Es gibt einiges zu bemängeln: Hier fehlen zwei Größen bei den Blusen, dort wurde ein Regal mit T-Shirts nicht ordnungsgemäß aufgefüllt, weiter hinten wird ein Ständer mit der neuen Kollektion von einem mit älterer Ware verdeckt. »Auf den ersten Blick muss zu erkennen sein, was es Neues hier gibt«, mault sie, während sie Vanessa beim Verschieben der Aufsteller hilft. »So, jetzt begeben Sie sich mal zum Eingang und sehen Sie selbst, was die Umstellung für eine Wirkung erzielt.« Die Verkäuferin nickt ergeben, murmelt eine halbherzig bewundernde Bemerkung. Greta weiß, dass sie sich nicht unbedingt Sympathien erwirbt mit ihrem Perfektionismus, aber es macht den guten Ruf der Läden aus, die von ihr betreut werden, dass sie bis ins Detail durchdacht und wohl sortiert sind.

    Richard war zusammengezuckt, als Greta mit neuer Haarfarbe und Frisur im maßgeschneiderten Calva-Kostüm vor Gericht erschien, die übergroße Ray Ban mit lässiger Bewegung in die Haare schob und es fertigbrachte, ihm geradewegs in die Augen zu sehen. Dass sie vorher etwas zur Beruhigung eingenommen hatte, mag seinen Teil dazu beigetragen haben, jedenfalls gelang ihr dieser schwierigste aller »Neue-Greta-Auftritte« ziemlich gut.
    Bevor sie sich dazu durchrang, die Scheidung einzureichen und sich damit ein letztes Mal aus eigenem Entschluss mit Richards
Gegenwart zu konfrontieren, war er noch einmal zur alten Form aufgelaufen, hatte versucht, ihr alles zu zerstören. Nur widerwillig erinnert sich Greta an Richards Auftauchen am Flughafen, wenige Monate nach der Eröffnung des ersten Calva-Ladens. Jemand musste ihm berichtet haben, wo seine Frau tagsüber anzutreffen war, und er hatte sich volltrunken auf den Weg gemacht, um die Wahrheit über diese betrügerische Schlampe lauthals durchs Terminal zu brüllen. Greta war wie versteinert stehen geblieben, zu keiner Regung fähig, bis ein Verkäufer aus dem Nachbarladen herbeigeeilt war und sich zwischen sie und Richard gestellt hatte. Eine anwesende Kollegin brachte Greta derweil ins Hinterzimmer. Der Sicherheitsdienst musste gerufen werden, um den Mann, der fortdauernd wüste Beschimpfungen von sich gab, aus dem Gebäude zu entfernen. Greta verzichtete auf eine Anzeige und hoffte, dass das

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