An Paris hat niemand gedacht
ausgesprochene Hausverbot, verbunden mit der Androhung, bei nochmaligem Auftauchen unverzüglich die Polizei zu rufen, seine Wirkung zeigte.
Nach Dienstschluss wurde sie zum Chef gebeten, wo sie erfuhr, dass in den vergangenen Wochen nicht nur bei ihr zuhause Anrufe mit Verleumdungen und Beschimpfungen sie betreffend eingegangen waren. Sie entschuldigte sich in aller Form für das Geschehene und wollte erklären, dass ihr Mann dazu neige, im Rausch Behauptungen über sie zu verbreiten, an denen nicht das Geringste der Wahrheit entspreche, aber Bremer winkte ab.
»Machen Sie sich keine Mühe, Frau Wördehoff, wir kennen Sie inzwischen gut genug, um den Inhalt solcher Telefonate richtig einschätzen zu können, und hier im Dienst wird er es nicht noch einmal wagen aufzutauchen. Wir stehen hier alle hinter Ihnen, aber Sie sollten sich zu Ihrer eigenen Sicherheit dringend von diesem offensichtlich kranken Mann scheiden lassen. Entschuldigen
Sie, falls ich persönlich werde, ich möchte Ihnen nur behilflich sein. Haben Sie schon einmal bedacht, dass Sie als seine Ehefrau für seine Schulden aufkommen müssten, wenn er sich in den Ruin treibt? Mein Bruder ist Alkoholiker; ich weiß, wie diesen Menschen das Leben aus dem Ruder gerät. Man kann da nicht helfen, allenfalls verhindern, dass sie andere mit in den Abgrund ziehen.«
Ihr Vorgesetzter sprach lange auf Greta ein, und sie fühlte sich schrecklich. Schließlich gab er ihr die Adresse einer befreundeten Anwältin, der sie sich getrost anvertrauen könne. »Machen Sie reinen Tisch. Das ist für Sie und Ihre Karriere unabdingbar!«
Davon, dass Richard begonnen hatte, nachts in der Nähe ihrer Wohnung herumzulungern, dass sie vor Verlassen des Hauses stets kontrollierte, ob eine Gestalt hinter der Hecke versteckt war, sagte sie Bremer nichts, das hätte es noch schlimmer gemacht. Der Chef bestand darauf, sie an diesem Abend mit seinem Wagen nach Hause zu bringen, und nahm Greta das Versprechen ab, unverzüglich die Anwältin zu konsultieren. Die folgenden zwei Wochen waren ein Alptraum, der mit Richards Einlieferung in die Klinik sein vorläufiges Ende nahm. Nach seiner Entlassung begann er zwar, Katharinas Berichten zufolge, unmittelbar wieder mit dem Trinken, unterließ aber zunächst seine Nachstellungen sowie die nächtlichen Anrufe. Greta hoffte, dass ihm einfach die Kraft ausgegangen war, dass er kapituliert hatte vor ihrer Entschlossenheit und der Androhung strafrechtlicher Verfolgung, wagte es aber nicht, sich in Sicherheit vor ihm zu wähnen. Sollte der Tag kommen, an dem Richard endgültig alles scheißegal sein würde, wäre sie, Greta, die Erste, die er vernichten würde, davon war sie überzeugt.
Am Tag des Scheidungstermins war Greta so lange vor dem Gerichtsgebäude in ihrem Auto sitzen geblieben, bis sie beobachtet hatte, wie Richard durch den Haupteingang hineingegangen war. Sie hatte noch weitere zehn Minuten gewartet und sich dann auf den Weg durch die Treppenhäuser und Flure gemacht, stets wachsam um die Ecken schauend, ob er ihr nicht doch noch irgendwo auflauerte. Zimmer 312, die Anwältin kam ihr im Gang entgegen, legte ihr die Hand auf die Schulter und flüsterte irgendetwas, an das sich Greta später nicht mehr erinnern konnte. Sie hatte die Puderdose aus der Handtasche gekramt, um mit dieser Bewegung ihre Schulter frei zu bekommen, und gemurmelt »bringen wir es hinter uns«. Die Richterin war eine gut aussehende Frau Mitte vierzig, deren Sachlichkeit Greta entgegenkam. Richard saß bleich hinter einem der abgewetzten Holztische. Den Mann mit der schwarzen Anwaltsrobe an seiner Seite erkannte sie als einen seiner Bundesbrüder, dessen Namen sie vergessen hatte. Sie versuchte, sich auf das Geschehen zu konzentrieren, beantwortete die Frage, ob eine Wiederaufnahme der Ehe zu erwarten sei, mit einem klaren »Nein« und war erleichtert, als Richard umstandslos das Gleiche tat.
»Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht nicht mehr; ihre Wiederherstellung ist nicht mehr zu erwarten.«
Bei der Verkündung des Scheidungsurteils sank Richards Kopf nach unten, und Greta überkam fast so etwas wie Mitleid mit diesem nach Schnaps stinkenden Wrack, bis sie sich an seine dunkel lauernde Silhouette im Vorgarten ihres Hauses erinnerte und ihr die ins Telefon gelallten Worte wieder ins Ohr klangen: »Ich mach dich fertig, Miststück, ich bringe dich um!«
Mitleid mit einem Wrack, das über einen Waffenschein und die dazugehörigen Jagdgewehre
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