An und für dich
kein einfaches Kind. Ich find’s toll, dass du versucht hast, an ihn ranzukommen. Es gibt keinen Grund, sich schlecht zu fühlen, okay?«
Saffy erinnerte sich an das Telefonat mit Jess, in dem sie Liam als »kleinen Mistkerl« bezeichnet und gesagt hatte, sie wolle sich nur ein bisschen bei ihm einschleimen. Sie hatte nicht nur ein schlechtes, sondern ein entsetzlich schlechtes Gewissen.
Sie wollte die beiden nicht belauschen, aber Liams Zimmertür stand offen.
»Warum hast du keinen Fernseher und keinen Computer bei dir im Zimmer?«, fragte Alex gerade. »Seid ihr arm?«
»Ich habe ein Teleskop.« Liam klang unglücklich.
»Pfff! Ein Teleskop?«, rief Alex. »Du bist ja ein Nerd!«
Saffy blieb stehen. Wieso sagte Liam nichts dazu? Warum verteidigte er sich nicht? Alex’ Stimme klang gedämpft, während er sich etwas über den Kopf zog.
»War das deine Mutter, die da mit deinem Vater auf der Couch rumgemacht hat?«
»Nein! Sie ist nur seine Fe… Fe… Freundin.«
»Seine Fe… Fe… Freundin?«, äffte Alex ihn nach. »Du be… be… blöd quatschender, a… a… arroganter, r… r… rotznäsiger, amerikanischer Riesen-Schweinepriester, A… A… Arschprolet …«
»Liam?«, rief Saffy. »Kannst du mal kurz kommen?«
Alex trug einen blauen Harry-Potter-Samtbademantel mit Sternen und einen passenden Schlafanzug darunter. Liam trug ein verwaschenes T-Shirt und eine Jogginghose, die ihm eine Nummer zu klein war. Dazu die ausgetretenen Hausschuhe von neulich in der Küche, an denen einer der Snoopys fehlte.
»Dein Dad wollte was von dir, glaube ich«, sagte sie zu Liam. Er lief die Treppe hinunter in die Küche. Alex lehnte in der Tür und grinste wie ein charmanter Zwerg.
Saffy erinnerte sich noch genau an diese Art Kinder aus ihrer eigenen Schulzeit. Mädchen, die sich über sie lustig machten, weil am Elternbesuchstag nur ihre Mutter kam und weil sie nur eine Wohnung hatten, kein Haus. Die hinter ihrem Rücken Witze über die freizügige Kleidung ihrer Mutter rissen, aber sich bei ihr einschmeichelten, wenn sie sie vor der Schule trafen.
Sie hätte Alex am liebsten eine runtergehauen, aber das ging nicht. Stattdessen beugte sie sich zu ihm hinunter, bis ihr Gesicht ganz nah an seinem war.
»Alex, du weißt ja, dass ich eine weltberühmte Wissenschaftlerin bin, oder?«
Er schüttelte den Kopf, und das konnte sie ihm nicht verdenken. Sie hatte es bis eben ja auch noch nicht gewusst.
»Ich arbeite gerade an einem geheimen Forschungsprojekt, und wir haben vor Kurzem herausgefunden, dass man jedes Mal, wenn man gemein zu jemandem ist, besonders viel Spucke produziert.« Saffy hatte keine Ahnung, was sie da gerade erzählte, aber es machte ziemlichen Spaß.
»Und wenn man zu viel davon hinunterschluckt, reagiert sie chemisch mit den Verdauungssäften und erzeugt eine Säure, die sich direkt durch die Gedärme frisst. Dann muss man Windeln tragen, und zwar bis an sein Lebensende.«
Alex’ Lächeln erstarb.
»Schicker Bademantel übrigens. So schön schwul.« Sie schlug die Hand an den Hals und schluckte. »Huch!«
Liam ging wieder hinauf in sein Zimmer, und Joe zog sich gerade die Jacke an, um das Abendessen abzuholen, das sie bestellt hatten. »Alles in Ordnung da oben? Liam kam gerade herunter und wollte mich drücken.«
»Da fragst du die Falsche. Ich kenne mich doch mit Kindern noch schlechter aus, als du kochen kannst, und das will was heißen.«
»Hey! Ich habe dich noch nicht über dem Herd schwitzen sehen, um mir was zu kochen«, sagte er. »Obwohl die Vorstellung, wie du ins Schwitzen gerätst, ziemlich geil klingt.«
Während Joe unterwegs war, legte Saffy eine CD ein und zündete zwei Diptyque-Kerzen an. Nach und nach brachte sie den einen oder anderen kleinen Luxus ins Haus. Joe schien nicht bemerkt zu haben, dass sie seine Bettwäsche gegen neue aus ägyptischer Baumwolle ausgetauscht hatte oder die alten Handtücher gegen extraweiche Badetücher. Aber das Massageöl von The Body Shop war ihm durchaus nicht entgangen. Sie hatte es in das Fach gestellt, das Joe ihr in seinem Schrank frei geräumt hatte, wo Liam es nicht sehen konnte. Sie hatte nicht viele Sachen mitgebracht – Reinigungsmilch, Feuchtigkeitscreme, Kontaktlinsenflüssigkeit, Parfum und ein bisschen Unterwäsche. Manchmal wünschte sie, sie käme an ihre Dessous, die noch in der Wohnung lagen. Eigentlich war es aber auch nicht so wichtig, denn egal, was sie trug, sie hatte es nie allzu lange an. Saffy ging in den
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