An und für dich
gewohnt hatten, waren verschwunden. Die wild durcheinandergeworfenen CD s auf der Arbeitsplatte standen ordentlich aufgestapelt auf dem Fensterbrett. Der Fußboden glänzte, von der Dusche aus Eis und Erbsen von eben mal abgesehen.
Er schloss die Augen und drückte sich die kalte Flasche an die Stirn. Vielleicht würde er jeden Moment aufwachen und feststellen, dass der ganze Tag nur ein Traum gewesen war. Konnte man sich im Traum eigentlich betrinken? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Der Wodka war fast alle, als Jess plötzlich in der Tür stand, zwei Einkaufstüten von Marks & Spencer in der Hand.
»Hey!« Sie strahlte ihn an. »Ich war im Einkaufszentrum Dundrum. Und hab’s überlebt.«
»Hey«, antwortete er ihr wie ein Echo. Er versuchte, genauso strahlend zu lächeln wie sie, mehr als ein kurzes Zittern der Oberlippe brachte er jedoch nicht zustande.
»Lizzie und Luke schlafen heute drüben bei Max.« Sie begann, den Inhalt der Tüten in den Kühlschrank zu räumen. »Ich dachte, ich koch uns was Schönes.« Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Schon wieder dieses Lächeln. »Danke für die Blumen.«
»Die Blumen?« Erst jetzt bemerkte er den Strauß. Der musste schon da gestanden haben, als er nach Hause gekommen war, aber er hatte ihn vor Schreck gar nicht wahrgenommen.
»Danke, dass du daran gedacht hast, dass es genau vor acht Jahren war, als …«, sie deutete auf die blitzsaubere Küche um sie herum, »… als das alles hier angefangen hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass es heute vor acht Jahren war, dass wir das mit den Zwillingen erfahren haben, aber mit den Blumen habe ich nichts zu tun.«
Ihr Lächeln ging an, verlosch, und ging wieder an, wie eine kaputte Neonröhre. Sie holte eine kleine weiße Karte aus der Hosentasche und legte sie auf den Tisch.
Es war eine Karte, die man im Blumenladen kaufen konnte, mit einem Schaf drauf, das sich mit den Hufen (hatten Schafe Hufe?) die Augen zuhielt.
»Ich bin so ein Schaf!«, stand in gelber Comicschrift über dem Tier, das aussah, als ob es sich sehr schämte. Er drehte die Karte um. »Tut mir leid, dass in letzter Zeit so viel schiefgelaufen ist. Lass uns noch mal von vorn anfangen, ab heute. X «
»Die ist nicht von mir.« Er gab ihr die Karte zurück.
Jess fühlte sich total blöd. Weil sie vier Stunden lang die Küche geschrubbt hatte. Weil sie schottisches Räucherlachsfilet, frische Erdbeeren und Crème fraîche gekauft hatte. Weil sie gedacht hatte, Conor hätte den heutigen Tag nicht vergessen, der ja kein richtiges Jubiläum, sondern nur eine Erinnerung war. Weil sie geglaubt hatte, es täte ihm leid.
Die Blumen waren von Saffy, ging ihr plötzlich auf. Damit wollte sie sich bestimmt entschuldigen. Conor trank einen Schluck aus der Flasche.
»Was trinkst du denn da?«
Er sah auf das Etikett. »Wodka. Sehr billigen, sehr alten Wodka.«
Jess knallte die Kühlschranktür zu.
»Tust du das auch immer, wenn du drüben bei Greg bist, wenn du angeblich an deinem Buch schreibst? Herumsitzen und Wodka trinken?«
»Heute ist an der Schule was passiert«, sagte Conor langsam. Er klang jetzt schon, als würde er mit einem Anwalt reden. »Ich bin bis auf Weiteres suspendiert.«
Jess ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Lass mich raten. Du warst betrunken im Unterricht.«
Conor hatte keine Unterstützung von ihr erwartet, aber sie konnte doch wohl wenigstens seine Erklärung abwarten, bevor sie ihn verurteilte.
»Einer meiner Schüler hat einen anderen zusammengeschlagen. Ich hab ihn weggerissen, bevor er dauerhaften Schaden anrichten konnte. Dabei ist er hingefallen und hat sich verletzt.«
»Geht’s ihm gut?« Jess sah ihn groß an.
Und was ist mit mir ?, dachte Conor. Wieso fragst du nicht, ob es mir gut geht ?
»Muss wohl genäht werden, ist aber keine große Sache.«
»Er muss genäht werden?« Jess stellte sich wahrscheinlich einen Elfjährigen vor, nicht das eins neunzig große, glatzköpfige Muskelpaket Wayne Cross.
»Das ist leider noch nicht alles. Deswegen werde ich wahrscheinlich auch meinen Job am St. Peter’s verlieren. Wenn Anzeige erstattet wird, kann es auch passieren, dass ich gar nicht mehr unterrichten darf.«
Jess lachte, aber es war kein frohes Lachen. »Wie praktisch«, sagte sie, »wie unglaublich praktisch. Dann musst du nicht mehr arbeiten und kannst dich voll und ganz deinem Buch widmen, nicht wahr?«
Conor stellte die Flasche mit einem Knall ab. Er fühlte sich,
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