An und für dich
dazwischengegangen wären. Er hätte ernsthaft verletzt werden können.«
Als Becky auf der Toilette war, bezahlte Conor die Rechnung. Draußen war die Luft warm und lau. Viele Menschen waren unterwegs und standen in Trauben vor den Pubs und Restaurants. Plötzlich fiel Conor auf, dass es Freitagabend war. Er wollte noch nicht zurück ins Hotel. Ihm wurde klar, wie einsam er gewesen war. Er hatte vorher gar nicht bemerkt, wie verdammt einsam er gewesen war. Er überlegte, ob er vorschlagen sollte, noch irgendwo etwas trinken zu gehen.
»Na dann lasse ich Sie mal weiterarbeiten«, sagte sie, bevor er den Mund aufmachen konnte.
Sie beugte sich vor, umarmte ihn kurz und ging.
Erst als sie schon an der nächsten Ecke war, sah er, dass ihr Rock tatsächlich in ihrer Unterwäsche festhing.
Greg hatte das Gefühl, als stünden in dem winzigen Castingraum mindestens fünfzig Leute um ihn herum und würden ihm dabei zusehen, wie er sich bis auf die Unterwäsche auszog und versuchte, Dermot den Nervösen und Ben Rosen zu beeindrucken.
»Drehst du dich mal kurz, Reg?«, bat Ben Rosen. Greg drehte sich langsam einmal um sich selbst.
»Hm, ich weiß nicht, ich bin mir bei seinem Arsch nicht ganz sicher.« Rosen wandte sich an Dylan. »Du bist hier der Experte. Was meinst du?«
Greg schwitzte im Licht der Scheinwerfer. Er wünschte sich Saffy als moralische Unterstützung herbei, aber sie war im Krankenhaus.
Dylan verschränkte die Arme. »Ziemlich großer Hintern, wenn du mich fragst. Zumindest dafür, dass er so kurze Beine hat. Aber im Spot trägt er ja einen Lendenschurz, und wir können ihn auch noch digital nachbearbeiten.«
»Nein, tun Sie das nicht. Lassen Sie ihn genau so«, sagte Dermot der Nervöse ehrfürchtig. »Er ist perfekt. Alles an ihm ist perfekt. Wenn ich eine Frau wäre und mir einen Engel vorstellen würde, dann würde er ganz genau so aussehen.«
Eine der Nachtschwestern entdeckte Saffy schlafend auf einer Bank in der Schwesternküche und rüttelte sie wach.
»Das ist doch Wahnsinn. Es kann noch Wochen dauern, bis Ihre Mutter zu sich kommt. Sie müssen mit Ihren Kräften haushalten. Fahren Sie nach Hause und schlafen Sie sich mal richtig aus.«
Saffy rief sich ein Taxi und fuhr zu Jills Haus. Der Garten war ziemlich zugewuchert, und Kevin Costner, der sich daran gewöhnt hatte, von Mrs. O’Keefe gefüttert zu werden, fauchte sie an wie eine Fremde. Sie hatte seit neun Tagen nicht mehr in einem richtigen Bett gelegen und fiel sofort in einen unruhigen Schlaf. Sie war zu besorgt, um sich wirklich entspannen zu können. Was, wenn ihre Mutter aufwachte und dann allein und verängstigt in ihrem dunklen Krankenzimmer lag? Schlimmer noch – was, wenn sie starb, wenn Saffy nicht da war? Was, wenn das Einzige, das ihre Mutter am Leben gehalten hatte, die Tatsache war, dass sie immer an ihrem Bett saß?
»Du klingst total erschöpft, Saffy«, sagte Jess am Telefon. »Schlaf weiter. Du brauchst das. Ich fahr hin und leiste Jill ein paar Stunden Gesellschaft.«
Als Saffy das nächste Mal aufwachte, war es fast zwölf. In aller Eile duschte sie und zog sich an und stolperte dabei fast über Kevin Costner, der beschlossen hatte, sie doch wieder zu mögen und ihr um die Beine zu schleichen.
Im Krankenhaus war sie zu ungeduldig, um auf den Fahrstuhl zu warten. Sie nahm die Treppe und versuchte, so gut es ging, dabei die Luft anzuhalten. Im Treppenhaus war der Krankenhausgeruch immer am schlimmsten. Heute kam es ihr aus irgendeinem Grund besonders schlimm vor, dieses Gemisch aus Urin, gedünstetem Gemüse und verrottenden Geranien; ihr war aufgefallen, dass so die Menschen rochen, die im Sterben lagen.
Sie nahm eine Abkürzung durch die Orthopädische Station und ging an einer Reihe älterer Leute vorbei, die nach ihren Hüftoperationen gemeinsam Gymnastik machten. Durch die offene Tür zur Station sah sie Leute zusammengesunken auf ihren Betten sitzen, zwei Teenies mit Halskrausen, die Rücken an Rücken saßen und sich die Kopfhörer eines iPod teilten, und eine Schwester, die einen Mann fütterte, dem beide Arme eingegipst waren.
Sie bog um die Ecke und sah Jess und Greg am Ende des Gangs stehen, der zum Zimmer ihrer Mutter führte. Sie fuhr zusammen. Es war etwas passiert. Sie hatte es gewusst, sie hätte ihre Mutter nicht allein lassen dürfen!
Sie rannte los, aber als sie am Tablettwagen vorbeikam, auf dem das Essen transportiert wurde, schlug ihr unerwartet eine Duftwolke aus gekochtem Fleisch,
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