An und für dich
solle nicht nach Hause kommen, hatte sie nicht gemeint nie mehr .
Wollte er das wirklich? Wollte er ernsthaft ausziehen? So sollten die letzten sechs Jahre ihres Lebens zu Ende gehen? Nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit dem Geräusch von Schubladen und einem Sechsjährigen, der das Spongebob-Lied sang?
5
Es war noch dunkel, als Jess Conor aufstehen hörte. Sie war froh, wieder in ihrem eigenen Bett zu liegen. Bei Saffy hatte sie nicht gut geschlafen. Sie schlief nie gut, wenn Conor nicht bei ihr war.
»Die gute Nachricht ist, du hast noch saubere Hemden«, murmelte sie schläfrig. »Die schlechte ist, sie sind nicht gebügelt.« Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie aufs Ohr. »Ich bin schon längst angezogen.«
»Schade.« Sie streckte sich. »Ich habe dich nämlich vermisst.«
Er machte sich los. »Hör auf! Ich muss los. Ich kann auf dem Weg zur Schule die Kinder absetzen, wenn du willst. Ach so, Lizzie hat Brendan anscheinend wieder mal aus dem Käfig gelassen. Kannst du nachsehen, ob er hinten am Kühlschrank hochgeklettert ist? Und kannst du mein Manuskript abschicken? Liegt in der Küche.«
»Klar.« Jess kuschelte sich noch einmal für fünf Minuten unter die Decke.
»Und nicht lesen!« Er gab ihr einen Kuss auf die Schulter.
»Nicht mal eine klitzekleine Seite?«
»Nein. Nicht bevor ich nicht weiß, ob es überhaupt lesenswert ist.«
Als sie das nächste Mal aufwachte, war es kurz vor elf. Sie zog sich eine Jeans und einen von Conors Fleecepullis an und schleppte sich nach unten. Eigentlich hatte sie den Artikel für Looks übers Wochenende fertigstellen wollen, aber dann hatte sie die meiste Zeit bei Saffy verbracht und es nicht geschafft.
Conor hatte ihr einen Umschlag und einen Zehneuroschein auf den Stuhl gelegt. Das Geschirr vom Frühstück stand immer noch auf dem Küchentisch. Sie schob alles ein Stück beiseite und fuhr ihren Laptop hoch. Eine E-Mail von Miles, sie solle ihm den Artikel bis spätestens zwölf geschickt haben, »und wehe, wenn nicht«.
Sie goss sich eine Tasse kalten Kaffee ein, kramte ihre Notizen unter einem Stapel Zeitungen hervor und legte los.
Machen Sie jeden Tag zum Bloomsday mit diesen gefriergetrockneten Blüten von Wild Things in der Dame Street. Aufgefädelt ergeben sie eine wunderschöne Girlande für Ihre Bettpfosten.
James Joyce würde sich im Grabe umdrehen. Um fünf vor zwölf hatte sie noch genau einen Artikel vor sich. Sie knabberte an einem Stück Marmeladentoast und flehte ihr dumpfes Gehirn an, doch bitte mitzuarbeiten. Etwas kitzelte sie an der Lippe, dann war es in ihrem Mund, bewegte sich. Es fühlte sich an wie, nein, es war eine Fliege.
Sie spuckte die Fliege aus und sprang auf, wobei sie ihre Kaffeetasse umwarf und ein Marmeladenglas vom Tisch fegte, dessen klebriger Inhalt durch die ganze Küche spritzte. Sie schnappte sich ihren Laptop und drehte ihn sofort um. Zwischen den Tasten tropfte etwas Kaffee heraus, aber sonst schien er das Ganze heil überstanden zu haben. Was man von Conors Umschlag nicht sagen konnte. Mit einem Küchenhandtuch konnte sie den Kaffee aufwischen, die Marmelade stellte sich jedoch als hartnäckiger heraus. Es klebten bereits ein paar Haare von Brendan daran. Jess fluchte, als sie versuchte, den Umschlag sauber zu wischen. Sie hatte jetzt wirklich keine Zeit für so etwas. Sie hatte, oh Gott, sie hatte noch genau zwei Minuten, bis sie ihre Artikel abgeschickt haben musste. Sie stopfte den Umschlag in ihre Tasche. Das musste jetzt reichen.
Conor versuchte, die dreißig kichernden Siebzehnjährigen auszublenden und sich stattdessen auf Graham Turvey zu konzentrieren, der gerade sein Lieblingsgedicht von Patrick Kavanagh kaputt machte.
»The b... bicycles go b... by in twos and threes.«
Großer Gott. Das tat weh. »Ganz ruhig«, sagte Conor freundlich.
»There’s a d... dance at Billy Brennan’s b... b... barn tonight.«
Die Heizung war viel zu weit aufgedreht, aber wenn Conor jetzt den Pullover auszog, würde er damit die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse von Grahams Stottern auf die Schweißflecken unter seinen Armen lenken. Gedichte interessierten hier niemanden. Sie interessierten sich alle nur fürs Knutschen. Der Witz an der Sache war, dass es in Kavanaghs Gedicht genau darum ging – knutschende Teenager. Aber keiner hatte Conor lange genug zugehört, um das mitzukriegen.
Graham Turvey stotterte sich durch bis zum Ende, schlug das Buch zu und sackte auf dem Stuhl zusammen, als hätte
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