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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Hause, sondern auch einen Entschluss, den Eufrásia, ohne
es zu wissen, und erst recht, ohne es zu wollen, herbeigeführt hatte. Bevor Vitória
an der Seite eines Mannes wie Arnaldo dahinwelken würde, jeder Freiheit, jeder
Sinnenfreude und jeder geistigen Anregung beraubt, würde sie lieber für den
Rest ihres Lebens allein bleiben. Aber es gab ja eine Alternative, und die
erschien Vitória nach den deprimierenden Beobachtungen der Lebensumstände Eufrásias
durchaus akzeptabel, wenn nicht gar erstrebenswert: Sie würde León heiraten.

XVII
    Pedro starrte aus dem Fenster des Zuges, ohne
die Landschaft wahrzunehmen, die an ihm vorbeiflog. Er hatte sich noch immer
nicht von dem Schrecken erholt, den die Nachricht von Vitas und Leóns Hochzeit
ihm versetzt hatte. Wie hatte die Ernsthaftigkeit dieser Romanze ihm nur
verborgen bleiben können? Er hatte geglaubt, es handle sich um nicht mehr als
einen Flirt. Seine Schwester hatte sich immer schon gerne in der Aufmerksamkeit
attraktiver Männer gesonnt, und León liebte bekanntlich die Herausforderung.
Und jetzt das! Wahrscheinlich hatte der Lump Vita geschwängert – welchen
anderen Grund hätte es sonst für die Eile gegeben, mit der diese Hochzeit
vorangetrieben wurde?
    »Bitte, Pedro, verzieh nicht so das Gesicht. Es
gibt keinen Grund für dich, dieser Ehe so negativ gegenüberzustehen.« Joana
hatte oft genug mit Pedro über das Thema diskutiert, doch noch immer wollte ihr
nicht in den Kopf, was ihr Mann so schlimm an einer Eheschließung zwischen Vita
und León fand. »León ist der perfekte Mann für deine Schwester. Er ist klug, er
hat Geld, er sieht blendend aus. Und er liebt sie – abgöttisch.«
    »Er hat die falschen politischen Ansichten.«
    »Mein Gott, Pedro, jetzt mach aber mal einen
Punkt! Wenn Ehen nur aufgrund gleicher politischer Gesinnung geschlossen würden,
wäre die Menschheit bald ausgestorben. Im Übrigen ist León ja kein Anarchist
oder Ähnliches. Er vertritt liberale Ansichten, die durchaus vernünftig und
gesellschaftsfähig sind. Du selbst warst doch ebenfalls fasziniert von ihm.
Wenn ich mich recht entsinne, warst sogar du es, der León mit Vita bekannt
gemacht hat.«
    »Ja, ja. Erinnere mich nicht wieder daran. Es
war einer der dümmsten Fehler, die ich in den letzten Jahren begangen habe.«
    »Versuche
doch wenigstens, dich für Vita zu freuen. Sie wird als verheiratete Frau viel
mehr Rechte haben als bisher. Sie wird mit León nach Rio de Janeiro ziehen, und
wir alle können uns dann viel öfter sehen. Ach, ich finde es wunderbar! Du doch
auch, Aaron, oder?«
    Aaron lächelte gequält. Wie oft hatte er sich
gewünscht, dass Vita nach Rio kommen möge, wo er sie so oft treffen konnte, wie
er wollte. Aber doch nicht als Ehefrau von León Castro! Zugegeben: Der Mann war
keine schlechte Wahl. Sowohl als Politiker wie auch als Journalist war er hoch
angesehen, und seine Karriere versprach in Zukunft nur noch steiler zu
verlaufen. Zudem war die physische Anziehung, die Vita und León aufeinander ausübten,
beinahe mit Händen greifbar – jeder, der vor zwei Jahren Zeuge des Tanzes der
beiden gewesen war, hatte diesen Magnetismus gespürt. Dennoch teilte Aaron
einige von Pedros Bedenken. Warum diese Eile? Sollte Vita  wirklich von León
schwanger sein? Heiraten zu müssen war keine wirklich gute Voraussetzung für
eine glückliche Ehe. Eine noch schlechtere Basis war allerdings der Wunsch,
andere Menschen zu provozieren oder zu brüskieren. Aaron kannte León gut genug,
um zu wissen, dass der für eine gute Pointe oder einen gelungenen Überraschungseffekt
alles Mögliche zu tun bereit war. Würde er sogar eine Sinhazinha, die Tochter
eines Sklavenhalters, ehelichen, nur um Aufmerksamkeit zu erregen, zu
polemisieren, zu schockieren? Bereits jetzt war unter Leóns Anhängern ein heißer
Streit darüber entbrannt, ob ein Mann mit Castros Überzeugungen noch haltbar
war, wenn er sich auf diese Art mit »dem Feind« verband. Und sollte Vita einen
Abolitionisten heiraten, allein aus dem Bedürfnis heraus, ihren Eltern Paroli
zu bieten, oder gar aus schierer Abenteuerlust? Denkbar war alles. Aber was käme
danach, wenn die sexuelle Begierde nachließ, wenn mehrere Geburten Vitas
herrlichen Körper entstellt hätten und León vor dem Kindergeschrei in seinem
Haus Reißaus nahm? Wenn die vor den Kopf gestoßene Gesellschaft irgendwann
diese Mesalliance akzeptierte und der Reiz des Verbotenen verflog? Nein, Vita
und León passten nicht zusammen.

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