Ana Veloso
dir beliebt.
Allerdings musst du vorher bezahlen, was ich für dich ausgelegt habe: fünfzehn
Jahre lang Kost und Logis, da kommt ein hübsches Sümmchen zusammen ...« Mit
Argumenten dieser Art hielten die Senhores die »freien« Schwarzen in einer
finanziellen Abhängigkeit, die sich in nichts von der Sklaverei unterschied.
»Du träumst wohl, was?«
Félix zuckte zusammen. Er war so in Gedanken
gewesen, dass er Adelaide gar nicht bemerkt hatte. Er schüttelte den Kopf, nahm
ihre Hand und verbeugte sich zu der Parodie eines Handkusses. »Oho, was für
geschliffene Manieren, wer hätte das gedacht! Da habe ich mir ja einen feinen
Herrn ausgesucht.« Adelaide lächelte Félix herausfordernd an und entblößte
dabei eine Reihe strahlend weißer, aber entsetzlich schiefer Vorderzähne. »Wohin
gedenkt der Herr mich denn auszuführen? Ins Hotel Inglaterra vielleicht, oder
gar ins Café das Flores?«
Félix lachte und schüttelte erneut den Kopf. In
diesen überteuerten Etablissements würde er bestimmt nicht einen Vintém
verschleudern, ganz davon abgesehen, dass Leute wie er und Adelaide dort unerwünscht
waren. Dennoch hatte er etwas ganz Besonderes für den heutigen Tag geplant, das
er Adelaide aber mit Gesten nicht würde begreiflich machen können. Und da das Mädchen
des Lesens unkundig war, würde es sich eben überraschen lassen müssen.
Vitória hatte Stunden vor dem Spiegel
zugebracht, war aber mit ihrem Aussehen noch immer nicht zufrieden. Ihr Haar
gab sich störrisch wie selten, und trotz Eleonors Hilfe saß die Frisur nicht
so, wie Vitória sich das vorgestellt hatte. Außerdem hatte sie abgenommen, ihr
Kleid war in der Taille zu weit und wirkte wie schlecht geschneidert. Himmel,
ausgerechnet jetzt, da sie sich León von ihrer besten – und schönsten – Seite
präsentieren wollte! Nach dem Ausflug am vergangenen Sonntag war Vitória
entschlossen, León und sich eine Chance zu geben. Erstmals seit ihrer Hochzeit
hatte sie das Gefühl gehabt, dass zwischen ihnen wieder jener Funke glühte, der
ihre Begegnungen ganz am Anfang gekennzeichnet hatte. Wie sie sich nach seinen
Berührungen sehnte, und wie sehr sie sich wünschte, sich ihm ganz hinzugeben,
nicht nur mit ihrem Körper, sondern mit ihrer Seele! Wäre es nicht das Klügste,
die Vergangenheit ruhen zu lassen, León seine früheren Verfehlungen zu
verzeihen und noch einmal ganz von vorn anzufangen? Welchen Sinn hatte es
schon, ihrem Ehemann bis ans
Ende ihrer Tage böse zu sein? Damit tat sie sich
schließlich selber keinen Gefallen. Außerdem war Vitória es langsam leid, sich
immerzu mit León zu streiten. Die ganze letzte Woche, während der León
unterwegs war, hatte Vitória an nichts anderes als an seine Zärtlichkeiten
gedacht, an die weiche Haut, die sich über seinen harten Muskeln straffte, an
den betörend maskulinen Duft, den er ausströmte.
Als León heute Mittag von seiner Geschäftsreise
zurückgekehrt war, hatte in seinem Blick die unausgesprochene Frage gelegen, ob
er wieder dort anknüpfen dürfe, wo sie vor einer Woche aufgehört hatten. Und
obwohl Vitória sich sicher war, dass an ihren Augen die Antwort ebenso deutlich
abzulesen war, hatte León ihr nur einen brüderlichen Kuss auf die Wange gegeben
und sich in sein Arbeitszimmer begeben. Aber ab heute würde Vitória ihrem Mann
eine gute Frau sein – nicht nur eine begehrenswerte Frau, die die
Aufmerksamkeiten ihres Gatten mit Leidenschaft erwidert, sondern auch eine, die
ihm im Alltag zur Seite steht.
»Sie sehen bezaubernd aus, Sinhá Vitória«,
beteuerte das Mädchen wiederholt. Aber was wusste Eleonor schon, eine Schwarze,
die bis vor kurzem nichts anderes in ihrem Leben gesehen hatte als andere
Sklaven und ein paar Landpomeranzen? Vitória fand sich unmöglich. Es hatte
einfach keinen Zweck. Heute war eindeutig einer jener Tage, an denen sämtliche
Verschönerungsmaßnahmen ihr Ziel verfehlten. Vielleicht würde ein wenig Schmuck
weiterhelfen? Aber ja! Sie brauchte ja nur Isaura den Anhänger abzukaufen!
Sobald León sie mit dem Schmuckstück sah, würde er ihre Absichten zu deuten
wissen. Abrupt stand Vitória auf, schob das Mädchen unwirsch beiseite und lief
zum Hinterhaus, wo sich die Quartiere des Personals befanden. Immer zwei Stufen
auf einmal nehmend, lief sie die Treppen zum dritten Stock hinauf. Als Vitória
endlich im Dachgeschoss ankam, keuchte und schwitzte sie.
Sie wusste nicht genau, welches der Zimmerchen
Isaura bewohnte, also öffnete sie einfach
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