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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Dunkeln wollten sie wirklich
nicht mehr in diesem Wald sein. Doch als Vitória in ihre Schuhe schlüpfen
wollte, stöhnte sie vor Schmerzen. »Ich kann die Schuhe nicht anziehen. Meine Füße
sind voller Blasen.«
    »Ich trage dich. Wie ich dich immer auf Händen
tragen werde, meu amor«
    Vitória glaubte sich verhört zu haben. Was sagte
er nur dauernd für merkwürdige Dinge? Er benahm sich ja, als sei er frisch
verliebt.
    León hob Vitória hoch, als wöge sie nicht mehr
als eine nasse Katze, und trug sie den ganzen Weg zurück. Sie hielt sich an
seinem Hals fest und nutzte die Gelegenheit, sein Gesicht genau zu studieren,
ohne dass er umgekehrt auch sie so forschend hätte ansehen können. Er
konzentrierte sich schließlich auf den Weg.
    Während der ganzen Rückfahrt hatte León an
nichts anderes gedacht als an Vitas weiche, weiße Haut unter dem Kleid. Die
Vorstellung, dass sie keine Wäsche trug, erregte ihn aufs Äußerste, und er
hatte, erst aufgehört, ihre Schenkel zu streicheln, als ihr Wagen wieder in
bewohnte Gegenden kam.
    Vitória erging es ähnlich. Es fühlte sich gut
an, nichts unter dem Kleid zu tragen, und sie beschloss, das in Zukunft öfter
zu tun, nicht nur für León, sondern mehr für ihr eigenes Wohlbefinden. Aber das
war jetzt nebensächlich. Viel aufregender war, was León heute zu ihr gesagt
hatte. Ob er es auch meinte? Oder hatte er sich von der gelösten Stimmung zu Äußerungen
hinreißen lassen, die er später bereuen würde, so wie jemand, der in
angetrunkenem Zustand Dinge sagt, für die er sich später schämt?
    Als die Kutsche mit einem Ruck vor ihrem Haus
zum Stehen kam, stieg León aus und hob Vitória, die immer noch barfuß war, aus
dem Wagen. Er trug sie die Treppe hoch, vorbei an den Dienstboten, die mit
offenem Mund ihre Herrschaft beobachteten. Das hatten sie, seit sie hier
arbeiteten, noch nie erlebt, dass der Sinhô seine Frau auf seinen Armen trug!
Im Foyer rief er Taís zu, dass sie das Abendessen auf ihrem Zimmer einzunehmen
wünschten, und ging ohne anzuhalten weiter. Er nahm immer zwei Treppenstufen
auf einmal und hatte es sehr eilig, ins Schlafzimmer zu kommen. Vitória, die
ihren Mann in seiner Entschlossenheit und Eile unwiderstehlich fand, war es nur
recht.
    León legte sie sacht aufs Bett und strich ihr
eine noch feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Er beugte sich über sie, als es
an der Tür klopfte.
    »Stell das Tablett vor der Tür ab!«, rief León
ungehalten.
    »Es ist ein Besucher für Sie da«, hörte er Taís
in schuldbewusstem Ton sagen. »Er behauptet, es sei dringend.«
    »Es kommt immer etwas dazwischen, nicht wahr?«,
sagte León mit belegter Stimme und sah Vitória bedauernd an. Er stand auf,
strich seine Kleidung zurecht und ging. »Ich mache es kurz.« Vitória sah ihm
verwundert und enttäuscht nach. »Es ist unser Hochzeitstag!«, hätte sie ihm
nachschreien wollen, tat es aber nicht. Als sich die Tür hinter ihm schloss,
warf sie sich aufs Kopfkissen und schluchzte, bis sie einschlief.

XXII
    Félix scherte sich nicht um Leóns strikte
Anweisung, sich auf keinen Fall in der Nähe des Hauses aufzuhalten. Im
Augenblick war es ihm völlig egal, was der Patron von ihm denken mochte, und es
war ihm ebenso gleichgültig, ob Sinhá Vitória ihn sah oder nicht. War sie nicht
die Frau von León Castro, und hatte sie als solche nicht ihrem Ehemann zu
gehorchen? Wenn León ihm die Freiheit geschenkt hatte, dann konnte die Sinhá
sie ihm ja schlecht wieder nehmen. Und was konnte sie ihm schon antun? Was könnte
schlimmer sein als das, was er zurzeit durchmachte?
    Seine Stelle im Kontor hatte er aufgeben müssen,
was Félix zunächst nicht weiter tragisch erschienen war. Aber da hatte er auch
noch nicht gewusst, wie schwer es war, eine andere Arbeit zu finden. Er war
schwarz und stumm, was jedermann mit Dummheit gleichzusetzen schien. Es gab in
ganz Rio offenbar keinen Mann, der ihm Lesen, Schreiben und Rechnen zutraute.
Außer León Castro natürlich, aber den mied Félix, denn in dessen Nähe lief er
Gefahr, erwischt zu werden – bestimmt hatte der Denunziant Félix' Verbindung zu
León ebenfalls den Behörden gemeldet. Irgendwann hatte sein Überlebensinstinkt über
seinen Stolz gesiegt: Félix nahm eine Arbeit als Lastenträger an, die so
stupide war, dass er schier verzweifelte.
    Noch furchtbarer war allerdings der Gedanke an
Fernanda und Zeca. Seit er sich vor einem Jahr eine andere Bleibe hatte suchen müssen,
sah er Fernanda nur noch ganz

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