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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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machen konnte, von der es hieß, sie sei so schwer mit
Juwelen behangen, dass sie sich tragen lassen musste. Félix fragte sich, ob es
allein die Aufmachung war, die Miranda so völlig anders wirken ließ, als er sie
in Erinnerung hatte. Das Alter konnte es ja kaum sein – in fünf Jahren veränderte
man sich nicht so stark. Oder war es der perfekt geformte Körper, den er früher,
in den züchtigen Kleidern, die Miranda auf Boavista trug, nie wahrgenommen
hatte?
    »Ist sie nicht ein Prachtexemplar, unsere
Miranda?«, fragte Lili in den Raum hinein, um dann die junge Frau aufzufordern:
»Dreh dich um, Mädchen, damit wir dich von allen Seiten bestaunen können. Ha,
seht nur, was für ein wundervoller Arsch!«
    Felix hätte Lili unter anderen Umständen
vielleicht ihr ordinäres Vokabular vorgeworfen – sie konnte die teuersten
Kleider tragen und sich mit Eau de Giverny besprühen, so viel sie wollte, mit
ihrer Redeweise würde sie immer wie eine billige Puffmutter wirken, und das war
genau das, was sie nicht wollte. Doch jetzt dachte er an nichts anderes als an
Miranda und ihr trauriges Los. Er hatte sie nie besonders gut leiden können,
aber dass sie so tief gesunken war, dass sie sich in einem Bordell verdingen
und ihren »wundervollen Arsch« herzeigen musste, tat ihm in der Seele weh. Es
war eine Sache, fremde Mädchen, über deren Hintergrund er gar nichts wusste,
bei der Ausübung dieses Gewerbes zu sehen, aber eine ganz andere, Bekannte hier
wiederzutreffen. Miranda, die immer über Dona Almas bigotte Art gelästert
hatte; Miranda, die, wenn keiner außer ihm in der Küche gewesen war, in den großen
Suppentopf gespuckt hatte; Miranda, deren Kopf von Luiza immer auf Läuse hin
abgesucht worden war; diese Miranda sollte nun eine Hure sein? Eine
schreckliche Vorstellung. Ebenso furchtbar fand Félix allerdings den Gedanken,
dass Miranda umgekehrt ihn als Prokuristen und rechte Hand der Chefin nicht für
voll nehmen würde, weil sie Dinge aus seiner Jugend wusste, die seine Autorität
untergraben würden. Wer nahm schon einen Mann ernst, der früher seinem Herrn
den Rücken hatte schrubben und die Haare in den Ohren hatte schneiden müssen?
    Miranda schien noch gar nicht bemerkt zu haben,
dass er sich hier befand. Sie ließ sich von Lili und den Mädchen bewundern und
genoss es sichtlich, mit ihrem Auftritt ein solches Erstaunen ausgelöst zu
haben. Er sollte jetzt besser verschwinden, dachte Félix. Doch in genau diesem
Moment traf ihn ihr Blick.
    Miranda erstarrte. In ihren Augen las er erst
ungläubiges Erkennen, dann Zögern, schließlich Wut. Sie drehte sich zu Lili um,
die inzwischen hinter ihr stand und begeistert an ihrer Frisur herumzupfte.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass diese Missgeburt
sich hier aufhält, wäre ich nie im Leben hergekommen.«
    »Welche Missgeburt?«
    »Na, diese dort«, sagte Miranda und deutete auf
das Sofa. Doch der Platz, auf dem Félix eben noch gesessen hatte, war leer.
    Als Félix spät in der Nacht nach Hause kam, sah
er noch Licht in Fernandas Hütte. Unmittelbar nach der Abolition war er wieder
in sein altes Viertel gezogen, in seine alte Hütte, deren größter Vorteil die
Nachbarschaft zu Fernanda war. Auch wenn sie seine Liebe offensichtlich nicht
erwiderte, war sie doch seine beste Freundin und engste Vertraute. Und nach
einem ereignisreichen Tag wie heute war es gut, sich jemandem mitteilen zu können,
der nicht nur lesen konnte, sondern der darüber hinaus intelligent, vernünftig
und verständnisvoll war.
    »Du hast gleich zwei Leute von früher getroffen?
Das ist in der Tat ein komischer Zufall. Aber weißt du, Félix, wenn du dich
dabei so schlecht gefühlt hast, sollte dir das zu denken geben.« Fernanda biss
den Faden ab, legte die Bluse, an der sie einen Knopf angenäht hatte, beiseite
und sah Félix durchdringend an.
    »Wenn es dir schon vor dieser Hure, Miranda,
peinlich ist, im Goldenen Schmetterling gesehen zu werden, dann ist jetzt
vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, um dort aufzuhören.« Félix
versuchte Fernanda seine komplizierten Seelenlage zu erklären, versuchte ihr
klarzumachen, dass es nicht Scham war, die ihn erfüllte, sondern ein
unbehagliches Gefühl, wie es die Menschen überkommt, wenn sie eine andere Rolle
spielen als die, in der man sie kennt. So, wie er vor Lili Scheu gehabt hätte,
jemandem den Rücken zu schrubben, so erschien es ihm vor Miranda irgendwie
falsch, als Angestellter eines Bordells aufzutreten. Aber Fernanda war

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