Ana Veloso
Schlag eines Senhor de Barros war, dass Felix sich schriftlich mit ihnen
verständigen konnte.
»Oho! Schreiben bringen sie euch befreitem
Gesindel also bei, aber kein Benehmen! Na, sei's drum. Pass in Zukunft besser
auf. Es reicht ja, dass du stumm bist und nicht noch obendrein für blind
gehalten wirst.«
Félix verbeugte sich tief, bevor er sich flugs
aus dem Staub machte. Begegnungen mit Menschen, die ihn noch von früher
kannten, lösten in ihm oft ein merkwürdiges Schuldbewusstsein aus. Obwohl er
nun schon seit Jahren in Freiheit lebte, gaben sie ihm immer das Gefühl, ein
Sklave zu sein. Die Angst vor der Entdeckung, die ihn drei Jahre lang begleitet
hatte, saß zu tief, als dass er sich wirklich frei hätte fühlen können. Aber
das würde sich bestimmt bald ändern, wenn er erst Besitzer eines eigenen Geschäfts
wäre. Beflügelt von dieser Vorstellung, setzte Félix seinen Weg fort, ohne auch
nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, was João Henrique in diese
Straße geführt haben mochte, in der man Herren wie ihn selten antraf.
Er betrat den Goldenen Schmetterling durch den
Hintereingang, ein populäres Liedchen pfeifend.
»Hast du dich verliebt, oder was?« Lili, die
gerade die Treppe herunterkam, wunderte sich über Félix' fröhliche Miene.
Meistens gab er sich ernster, um trotz seiner Jugend als Prokurist ernst
genommen zu werden. Félix wackelte mit dem Kopf, halb nickend, halb verneinend,
was Lili ganz richtig als »so etwas in der Art« interpretierte.
»Warte erst, bis du die Neue siehst. Ich habe
heute ein Mädchen eingestellt, das raubt dir den Atem. Komm doch gleich mal in
den Salon und sieh sie dir an – sie zieht sich gerade um, in ein paar Minuten
kommt sie runter.«
Felix war davon überzeugt, dass die Neue ihm
nicht den Atem rauben würde. Nach einem Jahr im Goldenen Schmetterling war er
immun gegen die körperlichen Vorzüge der Mädchen. Er hatte so viele leicht
bekleidete Frauen gesehen, dass ihn der Anblick einer hübschen Brust oder eines
aufreizenden Dessous kalt ließ. Die einzige Frau, die er wollte und die er
begehrenswert fand, war Fernanda, die mit ihrem Aussehen, objektiv betrachtet,
ganz sicher nicht mit den Mädchen im Goldenen Schmetterling konkurrieren
konnte. Dennoch fand er Fernandas zu groß geratenen Busen, ihre breite Nase und
ihre leicht abstehenden Ohren so süß, dass ihm all die Schönheiten, die er täglich
sah, gestohlen bleiben konnten. Felix holte sich ein Glas Wasser und machte es
sich auf dem Sofa neben Lili gemütlich. Auf seiner Tafel rechnete er ihr vor,
wie viel er heute für sie gespart hatte, doch Lili war nicht bei der Sache.
Alle paar Sekunden sah sie zur Treppe, gespannt, wie sich die Neue in den
Kleidern, die sie ihr gegeben hatte, machen würde. Sie hatte außerdem Laila
aufgetragen, ihr bei der Frisur und beim Schminken zu helfen, und Lili war sehr
neugierig auf das Ergebnis.
Félix legte seine Tafel beiseite. Es war
hoffnungslos. Lili schien nicht das geringste Interesse an seinen Ausführungen
zu haben, und noch viel weniger konnte er im Augenblick ein Lob von ihr
erwarten. Er lehnte sich zurück, trank einen Schluck Wasser und tat dasselbe,
was auch Lili tat: Er starrte zur Treppe.
Kurz darauf schritt Laila vor der Neuen die
Stufen herab und verstellte absichtlich den Blick auf sie. Laila strahlte übers
ganze Gesicht, breitete die Arme aus und veranstaltete einen Zauber, als wolle
sie nun die Königin von Saba vorstellen.
»Und jetzt aufgepasst: Die Neue!« Damit trat sie
einen Schritt zur Seite.
Félix traf fast der Schlag. In Momenten wie
diesem war es von großem Vorteil, stumm zu sein, wollte man nicht durch einen
unflätigen Ausruf alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Himmel noch mal, wenn
das nicht Miranda war! Und wenn das nicht die verblüffendste Verwandlung war,
die er je erlebt hatte! Nichts erinnerte mehr an das dümmlich dreinschauende Mädchen,
dessen Mund immer offen gestanden hatte. Diese Frau dagegen wirkte wie ... die
Königin von Saba! Hoch gewachsen und schlank, mit langen, muskulösen Gliedmaßen,
die von einem leicht transparenten Kleid mehr betont als verhüllt wurden, war
Mirandas Körper das reinste Kunstwerk. Ihren Kopf trug Miranda hoch erhoben,
auf ihren Lippen lag ein arrogantes Lächeln. Dieser Gesichtsausdruck trug
ebenso zu dem majestätischen Anblick bei wie die Unmengen an Schmuck, mit dem
Laila ihre Kollegin behängt hatte und mit dem sie geradezu der Viscondessa de
Rio Seco Konkurrenz
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