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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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auf
diesem Ohr taub. Immer wenn die Rede auf seinen Arbeitsplatz kam, stellte sie
sich stur und bestand darauf, dass er zu gut für Lili und ihren Laden war.
    »Lili ist und bleibt eine Schlampe. Ich habe sie
auf Esperanca gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass sie verdorben,
geldgierig und verlogen ist. Und wenn sie dir das Doppelte zahlen würde – sie
nutzt die verzweifelte Situation der Mädchen gnadenlos zu ihrem Vorteil aus,
und ich will nicht, dass du von diesem schmutzigen Geschäft mit dem Elend
profitierst.«
    Verstand sie denn nicht? Félix wollte doch nur
um ihretwillen gut verdienen. Und ob er im Goldenen Schmetterling arbeitete
oder nicht, würde an der zunehmenden Prostitution in Rio de Janeiro nichts,
aber auch gar nichts ändern. Wahrscheinlich hatte er vielen Mädchen sogar einen
Gefallen getan. Immerhin war durch seine Mithilfe der Goldene Schmetterling zu
einem Etablissement geworden, in dem es sich aushalten ließ, in dem keine Schlägereien
stattfanden, in dem die Betten nicht mit Wanzen verseucht waren, in dem die Mädchen
nicht übers Ohr gehauen wurden.
    »So, und jetzt erkläre mir bitte mal genauer,
was es mit Seu Gustavo auf sich hat«, wechselte Fernanda abrupt das Thema, als
sie Felix' rebellische Miene sah und fürchtete, das Gespräch könne einmal mehr
zu einem Streit ausarten, wie es immer der Fall war, wenn sie ihn mit seiner
schändlichen Arbeit konfrontierte.
    Félix hatte vorhin, in seinem ersten kurzen Resümee
dieses ereignisreichen Tages, nur am Rande angedeutet, dass der alte Händler
ihm ein Geschäft vorgeschlagen hatte. Nach der Begegnung mit Miranda, die Felix
so aufgewühlt hatte, war dieser Punkt ganz in den Hintergrund geraten, und
inzwischen hatte Félix sämtliche Euphorie, die ihn noch am Nachmittag beseelt
hatte, verloren. Bestimmt wollte Gustavo ihn nur mit der Aussicht auf die Geschäftsübernahme
locken, um einen billigen und willigen Verkäufer zu bekommen. Sicher würde
Gustavo, der alte Geizkragen, ihn bis zum Umfallen schuften lassen und ihm die
unwürdigsten Arbeiten auftragen. Er hörte ihn schon sagen: »Lehrjahre sind
keine Herrenjahre.« Und ganz bestimmt würde er einen absurd hohen Preis für
seinen Laden verlangen, wenn er dann in den Ruhestand ging, was noch Jahre
dauern konnte. Fünf Jahre, zehn? Zu lang jedenfalls – bis dahin wäre Félix ja
selber schon uralt.
    »Warum machst du denn so ein Gesicht? Das klingt
doch vielversprechend«, fand Fernanda, nachdem Félix ihr wortwörtlich
wiedergegeben hatte, was der Alte zu ihm gesagt hatte. »Triff dich am besten
noch morgen mit Gustavo und höre dir an, was er dir anzubieten hat. Vielleicht
bezahlt er dich sogar gut genug, dass du endlich bei Lili aufhören kannst.«
    Felix zuckte resigniert mit den Schultern. Was
blieb ihm schon anderes übrig? Die Arbeit im Goldenen Schmetterling jedenfalls
war ihm durch Mirandas Auftauchen gründlich vermiest worden.
    »Aber vorher«, fuhr Fernanda fort, »musst du mit
dieser Miranda reden. Vielleicht können wir ihr helfen. Vielleicht kann ich ihr
eine Anstellung an der Schule verschaffen. Der Hausmeister hat sich erst kürzlich
darüber beklagt, dass er die Arbeit nicht alleine bewältigen kann. Da die
meisten Leute gar nicht wissen, wie man zum Beispiel einen Fußboden bohnert, könnten
wir eine Frau, die sich mit solchen Aufgaben auskennt, bestimmt gut
unterbringen.«
    Félix schämte sich plötzlich. Erst jetzt, da ihm
Fernanda vor Augen führte, wie er sich Miranda gegenüber hätte verhalten
sollen, begriff er, wie verantwortungslos und kindisch er sich benommen hatte.
Warum hatte Fernanda daran gedacht, Miranda Unterstützung anzubieten, und nicht
er? Warum war er fortgelaufen wie ein ertappter Dieb, anstatt mit Miranda zu
reden? Er wusste schließlich am besten, dass es manchmal nicht ohne die Hilfe
anderer ging. Wo wäre er selber jetzt, wenn ihm nicht León die Flucht ermöglicht
und ihn Dona Doralice nicht unterrichtet hätte? Wahrscheinlich würde er, wie Feijão,
im Gefängnis sitzen oder wie Carlinho im Steinbruch arbeiten oder wie Sal als
Packer am Hafen, mit einem Verdienst, der nicht einmal für das Nötigste
reichte. Fernanda sah ihm seine Gewissensbisse offensichtlich an. »Du hast gar
nicht daran gedacht, ihr Hilfe anzubieten, nicht wahr? Ihr Männer seid doch
alle gleich – denkt nur an euch selber.«
    Das stimmte nicht. Félix dachte auch an
Fernanda, an ihre gemeinsame Zukunft, an das Haus, das er mit dem ersparten
Geld bauen

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