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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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sie
zur Feier des Tages aufwändig hochgesteckt hatte, tanzten kleine goldene
Funken, und ihre Haut reflektierte das Sonnenlicht in einem zarten Pfirsichton.
Was für ein hinreißendes Wesen!
    Während sie den beiden Freunden ihres Bruders
den Kaffee aus einer silbernen Kanne eingoss, entschuldigte sie sich für die
Abwesenheit der Eltern. »Unsere Mutter wird uns erst zum Diner Gesellschaft
leisten, sie fühlt sich ein wenig unwohl. Und unser Vater wurde kurz vor Ihrer
Ankunft zu den Ställen gerufen, es gibt wohl Probleme mit einer fohlenden
Stute.«
    »Ach ja, die Freuden des Landlebens«,
kommentierte João Henrique mit leicht angewidertem Gesicht.
    »Sie sprechen aus Erfahrung?«, fragte Vitória.
    »Allmächtiger, nein! Ich bin in Rio de Janeiro
geboren und aufgewachsen, ein waschechter Carioca also. Der Stadt mangelt es
zwar an Kultur, wie ich nach meinen Aufenthalten in Lissabon und Paris
feststellen musste, aber sie ist doch deutlich zivilisierter als die Provinz.«
    Was für ein Aufschneider. Die Hauptstadt als
zivilisiert zu bezeichnen, war der reine Hohn. Es mochte dort noch so viele Paläste,
Theater, Universitäten, Bibliotheken, Hospitäler, Kaffeehäuser und große
Handelsniederlassungen geben – Vitória würde eine Stadt, in der selbst der
Kaiser praktisch neben einer Kloake lebte und deren Gestank atmete, niemals für
etwas Besseres halten als einen übel riechenden Sumpf. Zwar wurden die Straßen
längst mit Gaslampen beleuchtet, zwar gab es eine direkte Bahnverbindung nach
Vassouras, doch eine funktionierende Kanalisation gab es in Rio de Janeiro nur
in den sehr gehobenen Stadtteilen. In vielen Vierteln wurden die Abwässer noch
in großen Fässern gesammelt und dann ins Meer gekippt. Oder man wartete einfach
auf den nächsten größeren Regen, der die schmalen Gassen wie ein Wasserfall
durchspülte und allen Unrat mit sich riss. Hier auf Boavista mochte man weniger
kulturellen oder intellektuellen Impulsen ausgesetzt sein, aber Vitórias Vater
hatte wenigstens für ein funktionierendes Abwassersystem gesorgt.
    »Nun«, warf Aaron Nogueira ein, »ich denke, dass
Boavista und der wunderbare Empfang, den uns Senhorita Vitória hier bereitet,
das Gegenteil beweisen. Ich jedenfalls finde das alles hier«, und damit machte
er mit seinem Arm eine ausholende Geste, »grandios. Und viel zivilisierter, als
ich es vermutet hätte. Unser lieber Pedro führt sich nämlich zuweilen auf, als
käme er direkt aus dem Urwald.« Er zwinkerte Pedro zu.
    »Habt ihr nichts anderes zu tun, als euch über
mich lustig zu machen? Denkt lieber an Le6n. Ich mag mir gar nicht vorstellen,
was ihm alles passiert sein könnte.«
    »Dem passiert so schnell nichts Böses.
Wahrscheinlich hat er unterwegs in einem Gasthof mehr Wein getrunken, als ihm
gut tut, und schläft jetzt seinen Rausch aus. Womöglich mit einer dunkelhäutigen
Schönheit an seiner Seite ...«, befand João Henrique mit einem anzüglichen
Grinsen.
    »João Henrique! Reiß dich zusammen – solche
Dinge sind nicht für die Ohren meiner Schwester bestimmt.«
    Vitórias Empörung hielt sich in Grenzen. Sie
wusste, dass viele weiße Männer, auch solche von vornehmer Herkunft, den
Sklavinnen nachstellten, und sie wusste um die Konsequenzen. Auch auf Boavista
gab es einige Mulatten, über deren Väter nur hinter vorgehaltener Hand
spekuliert wurde. Ihr Vater und ihr Bruder waren über jeden Verdacht erhaben,
aber dem Sklavenaufseher Pereira oder dem Viehtreiber Viana war alles
zuzutrauen.
    In diesem Augenblick erschien Miranda.
    »Sinhá, da ist jemand an der Hintertür, der Sie
zu sprechen wünscht.«
    »Nanu«, wunderte sich Vitória.
    Um diese Uhrzeit war das ungewöhnlich. Die Sonne
ging bereits unter, in einer halben Stunde wäre es stockduster. Jeder wusste,
wie schnell die Nacht hereinbrach, und jeder, vom vornehmsten Reisenden bis zum
niedrigsten Herumtreiber, hätte sich längst ein Quartier gesucht. Es musste
sich um einen Notfall handeln.
    Vitória bewegte sich hastig durch den langen
Flur, der zu den Wirtschaftsräumen und dem Hintereingang führte. Ihre weißen
Seidenstiefelchen, die vorwitzig unter dem apfelgrünen Moirékleid hervorlugten,
klackerten stakkatoartig auf dem Mosaikboden. Von wegen »gemessenen Schrittes«!
Wenn schon einmal Besuch aus der Stadt da war, eine willkommene Abwechslung im
gemächlichen Trott des Lebens auf einer Fazenda, dann wollte sie sich keine
Sekunde von den Gesprächen entgehen lassen. Und weder Dona Alma noch

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