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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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verdient.«
    »Du nun wieder!« João Henrique sah Aaron an wie
ein Kind, das eine ganz einfache Sache auch nach hundertmaligem Erklären noch
nicht verstanden hat. »Die Neger sind nicht wie wir. Du hast sie doch gesehen,
in Rio. Kaum sind sie frei, nutzen sie diese Freiheit, um zu trinken, zu
raufen, zu lügen. Sie lassen ihre Hütten verdrecken, ihre vielen Kinder nackt
herumlaufen, ihre Frauen als Huren arbeiten. Sie sind wirklich nicht besser als
Tiere.«
    Pedro hoffte, dass der alte Kutscher von ihrem
Gespräch nicht allzu viel mitbekam. Zwar gab er João teilweise Recht, doch er
wusste auch, dass viele der Sklaven brave und gläubige Menschen waren, die mit
dem Pack in der Stadt nicht zu vergleichen waren und die empört gewesen wären,
hätte man sie mit ihnen in einen Topf geworfen, wie João Henrique es tat.
    Endlich erreichten sie die Auffahrt von
Boavista. Das schmiedeeiserne Tor mit dem Wappen der Familie stand in Erwartung
ihrer Ankunft offen. Dahinter erstreckte sich eine schnurgerade Allee, die von
hohen, schlanken palmeiras imperiais, Königspalmen, gesäumt war und die
genau auf das Herrenhaus zuführte. Aus dieser Perspektive sah man nur die
Vorderfront der casa grande, ein zweigeschossiges, sehr breites Haus. Es
war weiß getüncht, hatte ein rotes Ziegeldach und blau lackierte Fensterläden.
In der Mitte befand sich eine hohe Haustür, zu der fünf Stufen hinaufführten.
Rechts und links davon waren jeweils sieben große Sprossenfenster, und
ebenfalls zu beiden Seiten der Haustür standen zwei Holzbänke, die in demselben
Blau lackiert waren wie die Läden. Vollkommen symmetrisch und auf den ersten
Blick sehr wuchtig und schlicht, wirkte das Gebäude beinahe klösterlich. Doch
dieser Eindruck verflüchtigte sich bei näherem Hinsehen. Ein Springbrunnen plätscherte
fröhlich vor sich hin, die blau glasierten Keramikzapfen zu beiden Seiten der
Treppe und die Glyzinien, die die Haustür umrankten, nahmen dem Haus seine
strenge Ausstrahlung. Hinter den Fenstern sah man wolkige Stores, und unterhalb
des Daches verlief eine fein ziselierte, hölzerne Zierleiste, wie man sie oft
an Puppenstuben findet und die sich an dieser groben Architektur viel zu
verspielt ausnahm.
    Pedro hätte jedes Detail der casa grande und
aller anderen Gebäude von Boavista aus dem Gedächtnis aufzeichnen können. Hier
war er aufgewachsen, jede Einzelheit war ihm vertraut. Doch jetzt, nach beinahe
einjähriger Abwesenheit und mit Gästen, die nie zuvor hier gewesen waren, sah
er das Haus mit ganz anderen Augen. Mit den Augen seiner Freunde. Er bemerkte
plötzlich, wie weibisch die Dachleiste an dem ansonsten so maskulinen Gebäude
wirkte. Er sah, dass die Fußmatte, in die das Wappen des Visconde hineingewebt
war, geradezu angeberisch wirkte. Er sah aber auch, dass das Haus, fünfundzwanzig
Jahre nach seiner Erbauung, in bestem Zustand war und Würde ausstrahlte. Pedro
war hin- und hergerissen zwischen Besitzerstolz und dem Gefühl, für alles, auch
für Dinge, die jenseits seines Einflussbereichs lagen, verantwortlich zu sein.
Während João Henrique und Aaron sich nach der beschwerlichen Reise noch dehnten
und streckten, wurde Pedro von einer sonderbaren Hektik ergriffen. Zusammen mit
dem Kutscher lud er das Gepäck ab und redete dabei unaufhörlich.
    »Die Hitze ist nicht normal für die Jahreszeit,
aber wartet nur ab, bis wir drinnen sind, dort wird es schön kühl sein. Tut mir
Leid, dass die Fahrt so lange gedauert hat, aber da kann man nichts machen.
Wenn nach dem Regen Viehherden über die Wege getrieben werden, ist Matsch nicht
zu vermeiden. Tja, und da spritzt natürlich auch immer ein bisschen Dreck hoch,
aber macht euch keine Gedanken, hier auf dem Land kennt man das. Das Mädchen
wird euer Gepäck und eure Kleider sofort von dem gröbsten Schmutz befreien. Na,
und? Was sagt ihr zu dem Haus? Ihr werdet Augen machen, wenn ihr erst den Rest
gesehen habt – das hier ist nur ein Viertel des ganzen Komplexes.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür.
Dahinter erschien Vitória. Pedro fand, dass sie sich zu sehr herausgeputzt
hatte, und setzte bereits zu einer weiteren Entschuldigung an. Doch er hielt
inne, als er Aarons Miene sah. Sein Freund war wie versteinert. Er hatte soeben
das schönste Mädchen der Welt gesehen.

III
    Pedro!« Vitória flog ihrem Bruder in die Arme. »Lass
dich anschauen, Pedrinho, Bruderherz! Himmel, wie erwachsen du aussiehst!«
    »Und du erst, Vita. Du wirst von Tag zu Tag
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