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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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brauchte
die Erde Tod und Verfall, um fruchtbar zu sein. Vitória legte eine Hand auf
ihren Bauch und empfand eine tiefe Befriedigung in der tröstlichen Gewissheit,
dass nicht einmal sie diesen Kreislauf aufhalten konnte. Gegen die Naturgesetze
war sie machtlos.

XXXV
    León ließ den Brief auf seinen Schoß sinken und
starrte ins Kaminfeuer.
    »Haben Sie noch einen Wunsch, Sir?«, riss ihn
der Butler aus seinen Gedanken.
    »Nein, danke, Ralph. Ich brauche Sie heute nicht
mehr. Schlafen Sie gut.«
    »Danke, Sir. Auch Ihnen eine gute Nachtruhe.«
Mit einem weichen Klacken fiel die schwere Eichentür hinter dem Butler ins
Schloss.
    León bezweifelte, dass er auch nur ein Auge würde
zutun können. Nicht nach dieser Botschaft. Er stand auf, nahm den Schürhaken
vom Ständer und schichtete die Scheite im Kamin neu auf, sodass das ersterbende
Feuer wieder aufflackerte. Dann ließ León sich in seinen Ledersessel fallen und
nippte, den Blick aufs Feuer gerichtet, an seinem Brandy.
    Vita blieb in ihrer verzweifelten Lage keine
andere Wahl, hatte Joana geschrieben, in ihrer anmutigen, femininen
Handschrift. Nein, dachte León, wahrscheinlich war Vita damals wirklich keine
andere Wahl geblieben. Wie sie ihn gehasst haben musste, ihn, der das
unschuldige Mädchen verführt hatte und dann, ohne sich um die Konsequenzen zu
scheren, zu einem langen Überseeaufenthalt aufgebrochen war. Gott, hätte er von
ihrer Schwangerschaft gewusst, er hätte doch auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre
sofort zu ihr geeilt! Sie hätten geheiratet und sich zusammen auf das Kind
gefreut. Das Kind ... wie es wohl ausgesehen haben würde? Ob es nach Vita
gekommen wäre, mit ihren Locken und den unbeschreiblich blauen Augen? Etwa fünf
Jahre alt wäre es jetzt. Ach, wie schön das Leben in ihrem großen Haus in Glória
hätte sein können, wenn es von Kindergelächter erfüllt gewesen wäre, wenn er
seine kleine hübsche Tochter wie eine Prinzessin hätte verwöhnen dürfen oder
seinen frechen Sohn beim Reiten auf Sábado hätte festhalten müssen. Halt! Er
musste sich das verbieten. Es hatte keinen Sinn, sich ein Kind vorzustellen,
das nie die Chance auf Leben gehabt hatte – dem er diese Chance genommen hatte!
Er, León Castro, trug die Schuld für diese Tragödie, er ganz allein! Warum
hatte er nicht besser aufpassen können? Aber Herrgott noch mal was war das auch
für eine unglückliche Aneinanderreihung sonderbarer Zufälle gewesen! Warum
musste Vita gleich beim ersten Mal schwanger werden? Warum hatte er
ausgerechnet zu jener Zeit die Europareise machen müssen? Warum hatte ihn der
alles entscheidende Brief nie erreicht? Warum?!
    León nahm einen weiteren Schluck Brandy, stellte
das Glas auf dem Beistelltisch ab und griff erneut nach Vitas verloren
geglaubtem Brief, den Joana ihm mit ins Kuvert gesteckt hatte. León,
Geliebter, du hast mir tatsächlich ein Geschenk hinterlassen, das mich, wäre
ich deine Frau, mit großem Glück erfüllen würde. Ja, Vita hatte ihn
geliebt, mit der ganzen Inbrunst, deren nur eine 18-Jährige fähig ist. Sie hätte
ihn frohen Herzens zum Mann genommen, hätte ihm seine Fehler und den »Makel«
seiner Herkunft verziehen. Sie hätten eine harmonische Ehe führen können. Wie
war es bloß dazu gekommen, dass sie in den vergangenen Jahren so aneinander
vorbeigeredet hatten? Wieso hatte Vita ihm nie von ihren Nöten erzählt, ihn nie
direkt mit der Wahrheit konfrontiert? Ihre unglückliche Ehe basierte auf einem
einzigen Missverständnis, das, wären sie nicht beide in ihrer Sprachlosigkeit
gefangen gewesen, schnell hätte ausgeräumt werden können. So aber hatten sie
sich in ihre fehlgeleiteten Gefühle hineingesteigert, Vita in ihre Verbitterung
über seine vermeintliche Feigheit, er in seine Enttäuschung über ihre
Hartherzigkeit.
    Und jetzt? Hatten sie tatsächlich den schönsten
Anlass für einen Neubeginn, wie Joana geschrieben hatte? Vita wollte ihn
laut Joana ja nicht einmal davon in Kenntnis setzen, dass er Vater wurde,
obwohl sie nun wusste, dass seine Schuld geringer war, als sie ursprünglich
angenommen hatte. Nach all den Verletzungen, die sie einander zugefügt hatten,
hatte sie aufgehört, ihn zu lieben. Da mochte Joana in ihrem unbeirrbaren
Glauben an die ewige Liebe noch so oft das Gegenteil behaupten. Vita freut
sich unbändig auf das Kind, und das, lieber León, ist doch Beweis genug, dass
ihr auch an dir noch etwas liegt. Ist es nicht, dachte León. Dann hätte
Vita ihm schließlich selber

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