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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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viele
unserer Bekannten gar nicht in der Stadt, sondern in den Bergen. Hier haben wir
es doch wirklich gut. Du kannst deine heiß geliebten Bäder im Fluss nehmen,
ohne dass dich jemand sieht. Du hast frische Luft im Überfluss. Das Haus ist
inzwischen wieder sehr behaglich geworden, und seit Luiza hier ist, kannst du
dich über das Essen auch nicht mehr beschweren. Aber du, du führst dich auf wie
ein verwöhntes Gör.«
    »Du hast ja Recht. Ich werde Ruhe geben, mich
dankbar in Demut üben und beseelt den Mutterfreuden entgegenfiebern.«
    Joana lachte verhalten. »Nach dem, was du
gestern dem armen Luíz gesagt hast, betrachtet dich hier niemand mehr als
Heiligtum, das mit Samthandschuhen angefasst werden muss.«
    »Umso besser. Aber er hatte doch wirklich eine
Standpauke verdient, der alte Säufer. Ich habe mich dabei nur einiger
unmissverständlicher Vokabeln bedient.« Vitória musste selber schmunzeln bei
der Erinnerung an all die wüsten Beschimpfungen, die sie dem Alten an den Kopf
geworfen hatte. Doch anders war ihm und den anderen Schwarzen ja nicht
beizukommen. Blieben sie und Joana zu höflich, zu damenhaft, nahmen die
Dienstboten das als Erlaubnis zum Müßiggang. Es fehlte eindeutig ein Mann im
Haus – ein Mann durfte im Gegensatz zu ihnen laut und barsch werden, ohne
gleich für unvornehm gehalten zu werden. Ach, was machte es schon? Sollten die
Schwarzen sie doch für eine ganz und gar unfeine Senhora halten, Hauptsache,
die Arbeit wurde erledigt.
    Und Arbeit gab es auf Boavista reichlich. Immer
wenn man glaubte, sich nach einer gewaltigen Anstrengung eine Pause gönnen zu dürfen,
stand der nächste Kraftakt ins Haus. Kaum war das Dach der senzalas ausgebessert
worden, tröpfelte es durch das Dach der casa grande, kaum waren weite
Teile der verwilderten Kaffeefelder gerodet worden, als auch schon die
Maisernte ins Haus stand, und kaum war die Renovierung im Innern des Hauses
abgeschlossen worden, als der Stall nach einem Unwetter zusammenzubrechen
drohte. Vitória hatte zwar weitere Leute eingestellt, Erntehelfer und Gärtner
genauso wie eine Waschfrau sowie einen Kutscher, doch allein das Organisieren
war eine Aufgabe, die Vitória viel Kraft kostete. Natürlich galt es auch, einen
Plan für die Zukunft zu entwerfen. Sie konnten nicht weiterhin kopflos hier
eine Ernte einbringen und dort einen Acker bestellen, hier eine oberflächliche
Reparatur machen und dort eine vorübergehende Maßnahme ergreifen. Auf Dauer
konnten sie ihre Zeit nicht allein in Notlösungen investieren, sondern mussten
ein richtiges Ziel verfolgen. Denn Boavista sollte nach Vitórias Willen eine
funktionierende und profitable Fazenda sein. Der Anbau von Kaffee war utopisch,
ohne die Arbeitskraft der Sklaven und ohne genügend europäische Einwanderer.
Ja, dachte Vitória, die Paulistas sind schlauer gewesen als wir – rechtzeitig
hatten sie die Einwanderer angeworben, und viele der noch immer ins Land strömenden
Europäer wollten sich nun ebenfalls in der Provinz São Paulo ansiedeln, wo sie
ihre Sprachen sprechen und ihre Kultur pflegen konnten. Aber vielleicht, überlegte
Vitória, können wir hier Orangenbäume anpflanzen? Das war nicht gar so
arbeitsintensiv wie der Kaffeeanbau, und die klimatischen Verhältnisse im Vale
waren günstig dafür. Oder sollten sie sich mehr auf die Viehzucht
konzentrieren? Die Weitläufigkeit ihrer Ländereien jedenfalls erlaubte das
Halten großer Herden. Bevor sie eine Entscheidung traf, musste sie aber zunächst
einen Verwalter finden, der tüchtig und vertrauenswürdig war, denn ihr
Aufenthalt auf Boavista sollte nur von begrenzter Dauer sein. Darüber hinaus
musste sie sich auch nach einer fähigen Wirtschafterin umsehen, die mit der
Leitung eines solchen Hauses vertraut war – jetzt, da sie es wieder in Schuss
gebracht hatten und ganz sicher alljährlich für ein paar Monate hierher kommen
würden, sollte das Herrenhaus das Niveau seiner Bewohner widerspiegeln.
    Vitória sah sich im Salon um. Ja, mit den neu
gepolsterten Sofas, den flauschigen Teppichen auf dem frisch gewachsten
Holzboden sowie den neuen Gemälden und Fotografien an den Wänden war der Raum
wieder äußerst wohnlich Die Wände waren mit hellgelben Tapeten mit grünen Blätterranken
versehen worden, die dem Salon eine freundliche Atmosphäre verliehen, die
wuchtigen schwarzbraunen Möbel ihrer Eltern hatten eleganten Kirschholzmöbeln
weichen müssen. Das Personal hatte sich den Veränderungen erstaunlich

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